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Kommentar CDU und AfDKoalition wird nicht ausgeschlossen

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die CDU ist in Thüringen kein Bündnis mit den Rechtspopulisten eingegangen, weil ihr das nichts gebracht hätte. Ideologisch gab es kein Problem.

CDU-Fraktionschef Mike Mohring und Ex-Ministerpräsidentin Lieberknecht beobachten die Ministerpräsidentenwahl am 5.12.14 Bild: dpa

D er Tabubruch ist ausgeblieben. Thüringens CDU-Landtagsfraktionschef Mike Mohring hat nicht gegen den Linksparteiler Bodo Ramelow kandidiert. Er hat also nicht auf die Stimmen der AfD gesetzt, um doch noch den demokratischen Wechsel in Erfurt zu verhindern. Entscheidend sei das Ergebnis, sagt Mohring. Das mag er so sehen. Aber so ist es nicht. Denn er hat anderes gewollt.

Erst wenige Monate ist es her, dass der Bundesvorstand der CDU per einstimmigen Beschluss jede Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen hat, auch auf Landesebene. Mohring gehört diesem Gremium an. Trotzdem hat er sich mit dem Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden getroffen, um auszuloten, was möglich ist. Damit hat der ambitionierte CDU-Rechtsaußen eindrucksvoll demonstriert, was von dem Abgrenzungsbeschluss in der Praxis zu halten ist, nämlich herzlich wenig.

Wenn es um Machterhalt oder Machterlangung geht, ist den Christdemokraten beinahe jedes Mittel recht - auch eine Kooperation mit Rechtspopulisten. Dass sie diesmal noch nicht zustande kam, hat einfache Gründe: Zum einen wäre nicht sicher gewesen, ob der CDU-Kandidat auch wirklich alle Stimmen von CDU und AfD bekommen hätte. Zum anderen hätten die Stimmen der beiden Parteien alleine nicht ausgereicht. Wozu einen Tabubruch begehen, wenn er nichts bringt? Das Wagnis hätte sich nur gelohnt, wenn ein Abgeordneter von SPD, Grünen oder der Linkspartei den Verlockungen erlegen wäre, die potentiellen Abweichlern geboten worden sein sollen. Die Summen, von denen hinter vorgehaltener Hand die Rede ist, sollen übrigens hoch gewesen sein.

Das Thüringer Signal ist jedenfalls klar: Gemacht wird, was möglich ist. Es ist alles nur eine Frage der Gelegenheit. Das sehen nicht wenige in der Union so. Trotz aller wortreichen Bekundungen der Parteispitze, weiterhin strikte Distanz zur AfD zu wahren. Mohring ist kein Solitär. Das offen auf dem an diesem Montag beginnenden CDU-Parteitag in Köln zu diskutieren, wäre eine Frage der Glaubwürdigkeit. Doch dazu wird es nicht kommen, weil niemand in der Partei derzeit ein Interesse daran hat. Denn es könnte Wählerstimmen kosten. Aber der Tabubruch ist nur aufgeschoben.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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9 Kommentare

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  • Schön, zu lesen, was die taz als Tabubruch bezeichnet.

    Die Koalition mit einer Fraktion, die bekennende und nicht reuende Staasi-IM's beheimatet, noch dazu in einer Konstellation, wo man auf deren Stimmen unbedingt angewiesen ist, das ist für dien taz dann kein Tabubruch.

     

    Nicht gegen linke Ansichten, Demokratie lebt von einem Gleichgewicht der Kräfte. Hier aber handelt es sich um Menschen, die Freunde, Bekannte, Kollegen, unbescholtene Bprger ans Messer der Staasi lieferten. Das verrät Charaktere, die denen kaum nachstehen könnten, welche der linke Mainstream vielleicht manchmal sogar zu Recht in der AfD vermutet.

    Wenn man sich inhaltlich der AfD auseinandersetzt, wird immer wieder hervorgebracht, diese sei gegen den Euro, gegen Europa, gegen die NATO usw. Und die Ex-SED? Die ist gegen den Euro, gegen die NATO, gegen Europa.

     

    KOMISCH, WAS.

  • Wird hier auch mehr geboten als unbewiesene Spekulationen und vermutete Konjunktive?

     

    "Aber so ist es nicht. Denn er hat anderes gewollt. "

     

    Sagt wer?

    Ist wodurch bewiesen?

     

    Journalismus Ade...?

  • Die Kooperation mit der AfD jetzt offen zu diskutieren, stünde nicht im Interesse der CDU, weil die Glaubwürdigkeit (der Aussage, man wolle nicht kooperieren) darunter leide und damit Wählerstimmen verloren gehen könnten.

     

    So verhält sich diese Partei mit Regierungsverantwortung ja offiziell auch, scheint also korrekte Taktik zu sein.

     

    Nur zu blöd, dass man auch Glaubwürdigkeit verlieren kann, wenn man auf dem Podium vorne die Arme verschränkt und gleichzeitig im Hinterzimmer (bei anscheinend offener Tür, sonst hätte ja niemand was davon gehört) mit offenen Armen verhandelt.

     

    Das Widerliche ist diese ewige Doppelmoral, dass hier eine Glaubwürdigkeit hochgehalten wird und bejubelt werden soll, während man offensichtlich auf den Gesichtsverlust keinerlei Wert legt, der entsteht, wenn man beim Lügen erwischt wird.

     

    Da hat man sich wohl schon so daran gewöhnt, dass es die CDU gar nicht mehr stört.

     

    Dabei wäre es in einer starken, nicht obrigkeitsstaatlich geführten Demokratie ganz einfach: da redet man offen miteinander und nimmt gegenseitig die Argumente auseinander. Dann brauch man auch weniger Angst vor den Extremisten haben, die zerlegen sich dann schon selber mit ihren Widersprüchen.

  • „Das ist ein Tag der Schande für das wiedervereinigte Deutschland..."

    (Andreas Scheuer, CSU)

  • Simon Wimmer , Autor*in ,

    Am interessantesten ist doch, dass die AfD einen "alternativen" Politikstil verspricht, nun aber bereit ist, der CDU zum Machterhalt zu verhelfen.

    • @Simon Wimmer:

      Naja, die absolute Mehrheit wird die AfD wohl auf absehbare Zeit nicht bekommen. Daher muss man wohl irgendwann koalieren oder ewig Opposition bleiben.

  • Summen, die hinter vorgehaltener Hand geboten worden seien. gehts auch konkreter? Welche aufrechten parlamentarier haben sich als unbestechlich erwiesen und wollen nun nicht im lichte der Öffentlichkeit glänzen. Ist Unbestechlichkeit eine Schande, die in der taz keinen Namen tragen darf? Oder ist "hinter vorgehaltener Hand" eher die Hand am Stammtisch beim Ansetzen des Bierglases?

  • 4G
    4225 (Profil gelöscht)

    Ich musste erst einmal schauen, wo sich die Linken und die Afd unterscheiden. Und tatsächlich: Während die Linken ein Jahr Kindergartenbesuch für Arm und Reich gleichermaßen kostenlos machen und dafür das Thüringer Erziehungsgeld streicht (erhält/erhielt man wohl, wenn das Kind nicht mehr als 5 Stunden in den Kindergarten geht), wollte die AfD das Erziehungsgeld erhöhen. Die halbtags arbeitende Mutter dürfte von einer Erhöhung des Erziehungsgeldes wohl mehr profitieren als von einem beitragsfreien Kindergartenjahr, da die Kosten der Kinderbetreuung in Thüringen nach dem Einkommen zu entrichten sind.

  • Die gute alte Blockflöten-CDU hat doch auch als erste Partei die Hemmungen abgelegt mit der LINKEN zu koalieren - und zwar auf kommunaler Ebene. Die koalieren mit allem und jedem, um einfach an die Macht zu kommen oder dort zu bleiben. Verbote und Tiraden gegen Koalitionen gibt es doch nur, wenn die CDU deswegen die Macht verliert. Eigentlich ein leicht durchschaubares Spiel. Und viele Äußerungen von AfD-Leuten hätten wochenelanges Wutgeheul ausgelöst, wenn die aus einem noch so unbedeutenden Mund der LINKEN gekommen wären. Der Verfassungsschutz wäre auf den Weg geschickt worden. Aber so ist es eine Partei, die sich die CDU aus PR-Sicht nicht als Koalitionspartner kaputt machen will.