CCC-Kongress 31C3 in Hamburg: Volle Kraft voraus
Der Chaos Computer Club präsentiert sich auf seinem Kongress gestärkt. Der 31C3 ist politische Plattform, Hackspace und Spielplatz für tausende Besucher.
HAMBURG taz | Die Nähmaschine klackert. Um sie herum stehen etwa zehn junge Männer und schauen ihr zu, wie sie vollautomatisch ein Handtuch bestickt. „Hypnotisierend", sagt der Mann mit Brille neben der Maschine, „wenn man die ganze Zeit drauf starrt und wartet, bis der Faden reißt". An der kleinen Versammlung vorbei schieben sich andere Besucher.
Es ist der erste Tag des 31. Kongresses des Chaos Computer Clubs. Das Handtuch kann man später für 30 Euro kaufen. Auf das graue Frottee näht die Maschine einen Power-Knopf, in den Farben einer Morgendämmerung - das Logo dieses Chaos Communication Congress (31C3). Das passende Motto dazu lautet: A new dawn - übersetzt etwa: Ein neuer Tagesanbruch.
Nachdem der CCC sich vor einem Jahr zum 30. Jubiläum des Kongresses selbst kräftig auf die Schulter klopfte, soll der diesjährige Kongress vor allem eines demonstrieren: neue Kraft. Erwartet werden an den vier Tagen im Congress Center Hamburg (CCH) rund 10.000 Besucher, tausend mehr als vergangenes Jahr. Der Kongress wächst, wie auch der Hackerclub selbst. Seit dem Kongress 2012 soll der Club 1500 neue zahlende Mitglieder hinzubekommen haben.
Während sich die Besucher durch die düsteren Hallen drängen, sind draußen am Himmel die Farben der Dämmerung zu sehen. Am Gebäude leuchten die drei Buchstaben des CCH auf, dessen „H" jedoch für den Kongress von den Hackern mit einem „C" überklebt wurde. Drinnen zeigt der Hacker Karsten Nohl, wie er im meist genutzten Mobilfunkstandard UMTS, das man am 3G-Logo auf dem Bildschirm erkennt, SMS mitlesen kann. Auch Telefongespräche abzuhören, sei möglich, sagt er. Das ist neu, bisher galt das Netz als vergleichsweise sicher.
Citizenfour und DJ-Kugel
Die meisten Veranstaltungen an diesem ersten Kongresstag zeigen Hacks, ein paar politische Reden mischen sich darunter. Um Mitternacht dann noch ein Film über Edward Snowden, Regisseurin Laura Poitras stellt ihren Film „Citizenfour" vor. Wer will, kann sich ein Alternativprogramm geben und das vier Tage und Nächte lang. Denn abseits der großen Talks ist das Kongresszentrum mit 12.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche ein riesiger Spielplatz.
Der jährliche Kongress heißt für viele ein paar Tage aus der Welt zu fallen. Uhrzeiten spielen keine Rolle beim Hacken. Verschiedene Sorten Mate-Limonade und Kaffee helfen wach zu bleiben. Auch Musik gibt es fast rund um die Uhr irgendwo im Gebäude, oder draußen in der durchsichtigen Plastikkugel, wo genug Platz ist für einen DJ mit Mischpult, etwa zwei Dutzend tanzender Menschen und eine Maschine, die Konfetti pustet.
In der Halle, in der auch das „Raumzeitlabor", ein Hackerspace aus Mannheim das Handtuch bestickt, stellen sich weitere Gruppen vor. Über 250 haben sich angemeldet. Diese organisieren weitere Workshops, Cryptopartys, Kochkurse oder einfache Treffen zum Kennenlernen. Die eigens für den Kongress angelegte Datingseite online hingegen ist in den Kategorien „Boy seeks Girl", oder „Girl seeks Girl" nur mau befüllt. Durchaus mehr Einträge finden sich in den Kategorie „Hacker seeks Hardware". (http://events.ccc.de/congress/2014/wiki/Dating)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen