CCC-Kongress 31C3 in Hamburg: Kuscheln auf dem Teppich

Die 10.000 Kongressbesucher rücken zusammen. Sie feiern Jacob Appelbaum und Edward Snowden, stoßen sich am „Unsichtbaren Komitee“ und flirten.

Viele Menschen, viele Computer. Bild: dpa

HAMBURG taz | Schwer atmend liegt er zwischen den Lampen in Form von Eiskristallen vor Saal 2. Ohne Decke, den Kopf auf seiner Tasche, schläft er auf dem grün-orange melierten Teppich, mit dem große Teile des Hamburger Congress Center ausgelegt sind. Es ist drei Uhr morgens, die Veranstaltungen sind für diesen Tag vorbei und die Besucher unterhalten sich in Kleingruppen: Die Füße des Schlafenden ragen hinüber in den nächsten Gesprächskreis. Da knutscht ein Pärchen. Rund zehntausend Menschen verbringen auf dem 31. Chaos Communication Congress vier Tage auf wenig Raum miteinander. Da bleibt Zwischenmenschliches nicht aus. Der dritte Kongresstag erzählt in drei Gefühlen:

Bewunderung. Jacob Appelbaum ist Softwareentwickler, Aktivist und schreibt auch für den Spiegel. Zusammen mit der Filmemacherin und Journalistin Laura Poitras stellt er am Sonntagabend die neusten Snowden-Veröffentlichungen vor. Diesmal geht es auf den ersten Blick nicht unbedingt um das Internet, sondern um die Tötungslisten der USA und Großbritanniens. Die Snowden-Dokumente zeigen, dass nicht nur Taliban zum Töten freigegeben waren, sondern auch Drogenhändler.

Dazu veröffentlichte der Spiegel parallel eine weitere Geschichte, die belegen soll, dass die Nachrichtenübermittlung über OTR und PGP ihrem Ruf, sicher zu sein, auch wirklich gerecht wird. An der Entwicklung von OTR war Appelbaum selbst involviert. Die Quellen sind jedoch rund zwei Jahre alt. „Experten halten es für unwahrscheinlich, dass die Schnüffler mittlerweile wesentlich weiter gekommen sind“, schreibt der Spiegel, der beide Geschichten zeitgleich online stellt. Das Publikum applaudiert minutenlang stehend für Appelbaum und die Spiegel-Journalisten. Oder für Snowden. Oder einfach, weil die Stimmung so euphorisch ist.

Unverständnis. Mit der Flugschrift „Der kommende Aufstand“ wurde das Unsichtbare Komitee bekannt. Nun meldet sich die Gruppe zurück. Mit „Fuck off Google“ und einem neuen Buch, das bald auch in Deutschland erscheinen soll. Auf einem Panel des Kongresses liest ein Sprecher des Unsichtbaren Komitees viele Seiten vor, zu großen Teilen auch aus dem neuen Buch, wie er sagt. Der Vortrag wird nicht aufgezeichnet.

Anstatt sich mit den Thesen des Komitees ernsthaft auseinanderzusetzen, stoßen sich einige im Publikum an der linksradikalen Weltansicht des Unsichtbaren Komitees. Ob er wirklich gegen Parteien sei, fragt einer. Was soll denn bitte nach der Revolution kommen, provoziert ein anderer. Grundsatzdebatten, die der Vertreter der Gruppe nicht beabsichtigt hat. Er will auch nicht diskutieren. Als er den Saal verlässt, trotten ihm die wenigen Fans des Vortrags hinterher.

Liebe. Ein Flirt am Pizzastand: „Sind Sie eigentlich bei jeder Veranstaltung hier?“, fragt eine Besucherin den Verkäufer. Er verneint. Auf dem Dach seines Standes steht „Pizza“ auf Papier ausgedruckt. Er verkauft kleine Portionen der Sorten Margarita, Schinken und Salami für rund fünf Euro. „Das kommt immer auf die Veranstaltung an“, sagt er.

Seitdem der Chaos Communication Congress im Hamburger CCH stattfindet, war er jedes Mal hier. Bei dem Kongress gehe es immer besonders nett zu, sagt er. Sie haucht ein interessiertes „Aha“. Doch wenn die Teilnehmerzahlen weiter so wachsen, müsste der Kongress verlegt werden, in eine größere Halle, sagt der Verkäufer. „Wissen Sie, ob es da eine gibt?“, fragt sie. Eine größere Halle? Klar“, entgegnet er, „aber die haben dann nicht so einen schönen Teppich“. Sie lacht hysterisch. „Das wäre ja zu schade“, sagt sie.

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