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Erkennung bei GroßeinsätzenEine eigene Nummer für Polizisten

Die Beamten in Baden-Württemberg sollen in Zukunft persönlich gekennzeichnet und so leichter identifizierbar sein. Nicht alle finden das gut.

Wer ist wer? Polizisten in Baden-Württemberg bei einem Einsatz. Bild: dpa

STUTTGART taz | In Baden-Württemberg tobt ein Streit über die Frage, wie Polizisten bei Großeinsätzen künftig gekennzeichnet sein müssen. Joachim Lautensack, Baden-württembergischer Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, kennt nur einen einzigen Polizisten, der eine individualisierte Kennzeichnungspflicht befürwortet. „Aus parteipolitischen Überzeugungen“, wie Lautensack sagt. Der Mann sei bei den Grünen.

Die Kennzeichnungspflicht jedes einzelnen Polizisten bei Großeinsätzen wie Fußballspielen oder Demonstrationen wird aber kommen. Sie ist im Koalitionsvertrag vereinbart. Bisher hat der SPD-Innenminister Reinhold Gall offen an der Sinnhaftigkeit der Regelung gezweifelt. Jetzt aber muss er sie einführen. Die Polizeigewerkschaften hatten gehofft, Gall würde die Regelung für sie abwenden. Nun sind sie umso empörter, sie sprechen von einem „Misstrauensvotum“ gegen die Polizei.

Derzeit tragen Polizisten in Baden-Württemberg bei Großeinsätzen eine taktische Kennzeichnung: Acht bis neun Polizisten bilden eine Gruppe, jeder in der Gruppe hat die gleiche Kennzeichnung deutlich auf Helm und Jacke. Durch Videoaufnahmen von Einsätzen könnten Polizisten in der Regel identifiziert werden, teilt das Innenministerium mit. Mit der neuen persönlichen Kennzeichnung könne das möglicherweise schneller gehen. Die Regelung solle schon dieses Jahr umgesetzt werden.

Verfolgung ins Privatleben?

Uli Sckerl, innenpolitischer Sprecher der Grünen und ein Befürworter der Kennzeichnung, sagt, zu einem modernen Verständnis von Transparenz gehöre, dass Bürger ihre Rechte gegenüber Staatsorganen geltend machen können. Im Zusammenhang mit dem Einsatz im Stuttgarter Schlossgarten, wo Hunderte gegen das Bahnhofsprojekt S 21 demonstriert hatten und verletzt worden waren, seien einige Verfahren eingestellt worden. Grund: Der Polizist sei nicht identifizierbar gewesen. „Da muss man was tun“, findet Sckerl.

Polizeigewerkschafter Lautensack warnt: Durch individuelle Nummern würden die Polizisten erkennbar und womöglich bis ins Privatleben verfolgt.

Es ist ein Streit, der auf beiden Seiten von Emotionen geleitet wird. Verwunderlich: Im Koalitionsvertrag haben die Grünen die von ihnen gewollte Kennzeichnungspflicht unter der Überschrift „Gewalt gegen Polizei stoppen“ gestellt. Der Innenexperte der SPD, Nikolaos Sakellariou, sagt: „Mit der Kennzeichnungspflicht wird keine Gewalt eingedämmt.“ Vielmehr sieht auch er neue Risiken für Polizisten: „Wenn sich Leute verabreden, einen Beamten zu schädigen, ist der jahrelang in Verfahren verstrickt.“ Täglich würden mehrere Polizisten in Baden-Württemberg im Amt verletzt, daraus ergebe sich Handlungsbedarf.

Sakellariou sagt an die Adresse der Grünen: „Wer sich auf den Koalitionsvertrag beruft, muss das in allen Punkten tun.“ Im Koalitionsvertrag steht, dass Polizisten besser bezahlt werden müssten. So soll es statt der bisher vier Gehaltsgruppen nur noch zwei Gehaltsgruppen geben. Damit bekämen die unteren Gruppen mehr Geld. Der Grüne Sckerl erklärt dazu: „Wir hätten das gern eingeführt. Das kostete aber einen deutlichen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr.“ Dafür habe bislang das Geld gefehlt.

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8 Kommentare

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  • Alles schon erprobt, z.B. in Berlin. Alle Argumente gegen die individuelle Kennzeichnung haben sich als Quatsch erwiesen.

  • Ich finde es schon erschreckend, welche Bereitschaft zur Doppelmoral hier an den Tag gelegt wird. Privatpersonen sollen bitteschön jederzeit nichts zu verbergen haben, doch Beamte in Ausübung ihres Berufes haben ein uneingeschränktes Recht auf Privatssphäre? Es geht ja hier nicht um ein Namensschild auf der Brust, sondern nur um die bloße Möglichkeit der Indentifikation im Nachhinein. Sollen sie die Verfahren doch unter der Chiffre laufen lassen und wenn ein Beamter dann verurteilt wird dann muss der Geschädigte den Namen halt auch kriegen, ich kann da beim besten Willen keine Ungerechtigkeit oder Missbrauchspotential erkennen.

     

    Abgesehen davon ist die Befürchtung, Leute würden sich verabreden um einem Beamten zu schaden eine reine Schuzbehauptung. Es wäre doch logistisch überhaupt kein Problem die Nummern bei jedem Einsatz neu zu verteilen und fertig. Eine Polizei die selbst davon überfordert ist, ist als Ordnungsmacht ja wohl unqualifiziert.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Wie lautet doch ein oft zitierter Spruch: "Wenn man nichts zu verbergen hat, dann kann man doch..." usw usw usw

    Oder gilt das nur für die uneingeschränkte Vorratsdatenspeicherung??

  • "…Nun sind sie umso empörter, sie sprechen von einem „Misstrauensvotum“ gegen die Polizei.…"

     

    Als einer der mit Polizisten - die sich noch im Nazijargon Schupos nannten

    und via Polizeibataillone durch die Bank ausgewiesene Mörder waren - (Kommissköppe das Mindeste) sozialisiert ist -

    will ich den Ball mal flach halten -

     

    und mit unseren Innenminstern

    - Ländern wie Bund - nur

    ganz kühl fragen -

    Wer nichts zu verbergen hat -

    na ? - wen sollte solches stören?

    Im übrigen ist es das gute Recht des Bürgers - massiv auftretender geliehener staatlicher Gewalt

    (nichts anderes bedeutet und rechtfertigt das hier geltende Gewaltmonopol) mit Mißtrauen zu begegnen und nicht einem Mißbrauch schutzlos gegenüber zu stehen -

    Wen soll frauman solchenfalls rufen -

    die Polizei?

    Ordnungskräfte - die sich nicht entblöden, Karikaturen auf Demos zu verbieten - sorry - aber die lassen schlicht keine Rechtstreue erkennen.

     

    (nicht - daß ich glaube, daß das dort aus ganz anderen Gründen was bringt -

    aber in Amiland wird die Video-Kamera an der Uniform diskutiert - get it?)

     

    Ps: Danke für Ihren Kommentar. Er wartet auf Freischaltung. Bitte haben Sie Geduld und senden Sie ihn nicht mehrfach ab. - ok -

     

    mit F.K.Waechter - NÖ WIESO!

  • "Polizeigewerkschafter Lautensack warnt: Durch individuelle Nummern würden die Polizisten erkennbar und womöglich bis ins Privatleben verfolgt."

     

    Na das ist doch mal ein Ansporn auf Großveranstaltungen ein etwas anderes Verhalten an den Tag zu legen. Nicht nur körperlich, sondern auch verbal. Was man sich von einigen "Ordnungshütern" manchmal so anhören und gefallen lassen muss, ist schon ziemlich peinlich...

    • @Neinjetztnicht:

      Dann brauch ich mich in Zukunft nicht mehr ausweisen weil da schon meine komplette Adresse draufsteht und mich der kontrollierende Polizist bis ins Privatleben hinein verfolgen "könnte"? Mal abgesehen davon, was die Polizei schon jetzt alles speichert, was strafrechtlich nicht relevant ist, und einem im Fall einer (rechtlich erlaubten) Antifamitgliedschaft Probleme bei der Berufswahl mit sich bringt - in diesem demokratischsten aller deutschen Staaten.

    • @Neinjetztnicht:

      Mal abgesehen davon das mir bis heute nicht klar ist was eine Identifikationsnummer mit der Gefahr im Privatleben zu tun hat. Es wird ja wohl kaum eine Liste im Internet veröffentlicht bei der man Nummern und Privatadressen abgleichen kann. Daher auch nur die übliche Schutzbehauptung um weiter möglichst anonym handeln zu können.

      • @Lars:

        naja, natürlich werden Nummern und Namen mit Dienstgrad usw in einer PC Datei erfasst, sag ich mal, und es wird nur eine kleine Weile dauern, bis die irgendeiner ins Netzt stellt, eigentlich würde nur eins helfen, Bleistift und Papier oder die gute alte Schreibmaschine !