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Kolumne Fernsehen„Hinterher ist man halt schlauer“

Jürn Kruse
Kolumne
von Jürn Kruse

Die „Tagesschau“ wird in letzter Zeit ordentlich in die Mangel genommen. Ja, sie soll sich wehren und streiten. Aber nicht so.

Damals war die Welt der „Tagesschau“ noch in Ordnung. Bild: ap

E s gibt Mysterien im Fernsehen, die sich ganz einfach erklären lassen. Zum Beispiel alles, was bei „Galileo“ unter „mysteriös“ oder „geheimnisvoll“ läuft. Oder warum Bully Herbig bei der letzten „Wetten, dass ..?“-Sendung dabei sein durfte. Schauen Sie mal auf www.haribo-und-bully.de. Die alte Haribo-„Wetten, dass ..?“-Connection hielt halt bis zum letzten Atemzug der Show.

Es gibt aber auch Mysterien, die sich nicht so simpel erklären lassen. Zum Beispiel: Was zum Henker ist bei der „Tagesschau“ los? Die Frage zielt nicht darauf ab, ob vermeintliche Fehler vermeidbar gewesen wären, oder ob man sich über die Darstellung von Ereignissen streiten kann – sondern auf die Reaktionen des ARD-aktuell-Chefs Kai Gniffke.

Seinen Flaggschiffen „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ fliegt ja gerade einiges um die Ohren: die Ukraine-Berichterstattung, Putins Platzwahl beim Mittagessen und aktuell die Inszenierung der Staatschefs vor dem Pariser Gedenkmarsch. Immer wenn die Kritik allzu laut wird, schreibt Gniffke einen Eintrag im Tagesschaublog. Sein wiederkehrendes Argumentationsmuster: Eigentlich müsste man sich gar nicht mit der Kritik auseinandersetzen, aber ich lasse mich dann doch mal herab.

Bei seiner Einlassung zur Kritik an der Ukraine-Berichterstattung liest sich das so: „Wir wollen es uns nicht zu einfach machen und alles als gesteuerte Kampagnen und Spielwiese für Verschwörungstheoretiker abtun (obwohl das zum Teil der Fall ist).“ Erst danach geht er auf die Kritik ein, ein bisschen. „Hinterher ist man halt schlauer.“

Zwei Tage später räumt Gniffke dann doch ein, dass es ein Fehler gewesen sei, in den „Tagesthemen“ zwei Todesopfer den Separatisten zuzuschieben. Die waren’s wohl nicht. Tja. Hinterher ist man halt schlauer.

Gniffkes Sarkasmus

Auf die von Stefan Niggemeier infrage gestellte Wahl eines Videoausschnitts, der einen vermeintlich allein am Tisch sitzenden Putin beim G-20-Gipfel zeigt und von der „Tagesschau“ mit den Worten „Putin, einsam und verlassen“ betextet worden war, spottet Gniffke: „Wir sind und bleiben die heimlichen Unterstützer der Nato, die täuschen, fälschen und verdrehen.“

Und nachdem unter anderem die taz bemängelte, dass die Inszenierung der Staatschefs als Anführer des Trauermarschs in Paris genau das war: eine Inszenierung – und dass die „Tagesschau“ dies leider nicht kenntlich gemacht hat, blafft Gniffke, dass das „wilde Verschwörungstheorien“ seien: „Kompletter Unfug.“

Niemand erwartet von der „Tagesschau“ Unfehlbarkeit. Niemand erwartet bei kurzen Beiträgen Vollständigkeit (was auch immer das bedeuten mag). Doch was man erwarten kann, ist eine Dekonstruktion von Inszenierungen und einen Chefredakteur, der sich bewusst ist, dass es nicht nur die Wahrheit der „Tagesschau“ gibt.

Vor einer Woche jubelte die Chefredaktion von ARD-aktuell im Tagesschaublog: „Die große Mehrheit meint: Das Erste hat mit Abstand die besten Nachrichten.“ 75 Prozent der Zuschauer würden dem Ersten die größte Nachrichtenkompetenz bescheinigten. „Ihr Votum freut uns, es steigt uns sicher nicht zu Kopf.“ Sicher? Ganz sicher?

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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4 Kommentare

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  • Ja - so kennen wir sie - und mit Verlaub nicht nur Herrn Gniffke -

     

    "Eigentlich müsste man sich gar nicht mit der Kritik auseinandersetzen, aber ich lasse mich dann doch mal herab."

     

    Wer das Grundproblem jeglichen Journalismus nicht konsequent als Hintergrundstabilisator mitlaufen hat -

    und das ist nach meiner Einschätzung leider bei den wenigsten der Fall -

    der wird immer wieder oder gar dauerhaft in eben diese Fallen tappen.

     

    Das Grundproblem besteht regelmäßig und berufsbedingt nahezu unausweichlich darin -

     

    Daß JournalistInnnen fast durch die Bank von und über gesellschaftliche Phänomene berichten -

    von denen sie vergleichsweise wenig verstehen - gar echte Kenne haben;

    zumindest aber sitzen im Publikum eine stattliche Zahl von Zuschauern - neudeutsch usern -

    die sie mit links darin in die

    Tasche stecken;

     

    Das hat mit Überheblichkeit,

    Arroganz derjenigen wenig bis gar nichts zu tun -

    Pointiert - was bitte will mir ein Anstudierter regelmäßig ohne fachbezogene Berufserfahrung nach 30 Jahren plus über die von mir beackerte Materie grundlegend neues sagen?

     

    Das entwertet keineswegs das kritische Hinterfragen jenseits von Berufsblindheit -

    sondern rückt es vielmehr an den richtigen Platz - ja schafft erst den gedanklichen investigativen Zugang zum Gegenstand der Betrachtung.

     

    Unvergessen das Desaster einer Edelfeder am Ende seiner Reise vor eher unfrisierten aber auch einschließlich "Beförderter":)

    eine bunte Mischung aller Bereiche.

     

    Der Mann stand da -

    ohne Jack und Büx da:

    konnte einem nur noch leid tun -

    es war schlicht ein Trauerspiel.

     

    Also im Ernst - kommt runter vom hohen Roß;

    damit wir euch wieder ernst nehmen können.

     

    Ps: Danke für Ihren Kommentar. Er wartet auf Freischaltung. Bitte haben Sie Geduld und senden Sie ihn nicht mehrfach ab. - ok -

     

    mit F.K.Waechter - NÖ WIESO!

    • @Lowandorder:

      und Lernen geht - doch doch

       

      Claus Kleber - ja

      was ein Desaster der Unprofessionalität

      sein Obama Interview -

      zum Reintreten -

       

      ABER -

      Steherqualitäten vom Feinsten -

      wie er Lüchenmaul Jean de Lützelburg

      seine Publikumsverarsche

      noch und noch

      wieder&zurück&reindrehte *~*

       

      kurz - Na bitte - geht doch!!;)

      (Sternstunde - ala Janosch)

  • ich schau die Tagesschau schon ewig nicht mehr, ab und zu zapp ich mal durch, schon allein diese steifen Sprecher, man könnte bei manchen meinen sie hätten einen Kleiderbügel im Kreuz! und Zuschauerbeteiligung, war wie beim Wort zum Sonntag, da ging man endweder aufs Klo oder holte sich noch ein Bier !

    • @Georg Schmidt:

      Zuvor wurden in ihrer Ausbildung und Vorbereitung, die TV-Rundfunk-Sprecher, Journalisten-Redakteure und analogen Staatsbeamten, einer umfangreichen Auswahl und BGB-VS-Gewissensprüfung unterzogen, ob sie auch bereit und fähig sind, die 'freiheitlich-demokratische' (Kapital-)Grund-Ordnung geistig und massen-psychologisch wirksam zu repräsentieren.