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Schwimmende Unterhaltung

Das Theaterschiff am Tiefer wird zunehmend vom Jungen Theater beziehungsweise dessen Ex-AkteurInnen unterwandert. Das Ergebnis dieses „Going Boulevard“ heißt beispielsweise „Männer und andere Irrtümer“

Immerhin lassen die dick vernieteten Wandbleche noch spüren: aDu bist im Bauch eines Schiffes

Ein Goldfisch, ein Sofa, drumherum ganz viel Weser. Das ist das Setting, in dem man sich derzeit „Männer und andere Irrtümer“ anschauen kann, auf dem Theaterschiff nämlich. Da schwankt und plätschert zwar leider nichts unter den Füßen, seit dem Ausbau des Motors fehlt auch der penetrant identitätsstiftende Dieselgeruch, aber immerhin lassen die dick vernieteten Wandbleche noch spüren: Du bist im Bauch eines Schiffes.

Wo früher Koks oder Schrott lagerte, steht jetzt Martina Flügge auf einer Bühne und leidet am männlichen Teil der Bevölkerung. Ihre Freundinnen sind zwar auch nicht besser, aber Ursache des Abends ist, dass sie von ihrem Gatten verlassen wurde. Daraus ergeben sich satte zwei Stunden Dramödie, minutiös getaktet mit dem parallel im großen Saal stattfindenden Loriot-Abend, damit die Pause im oberen (leider völlig unmaritimen) Foyer gleichzeitig beginnt, bei der man sich sonst gegenseitig die Köpfe betrampelt.

Flügge macht alles selber, den fiesen Kerl, die nutzlos Rat gebenden Mitfrauen, nicht zuletzt die böse Konkurrentin, kostümiert als schnippische Fee. Eine reife Allround-Leistung, die sich freilich innerhalb vorhersehbarer Bahnen bewegt. Ehe halt, gescheitert, mannfrau ist um die vierzig und es geht nicht weiter. Ursprünglich verfasst von den Französinnen Michèle Bernier und Marie-Pascale Osterrieth zeitgeistert „Männer“ über etliche Bühnen, die Theaterschiff-Fassung allerdings hat nur ein Drittel Originaltext, schätzt Regisseur Ralf Knapp.

Knapp war einer der Gründer des Jugendclubs am Goetheplatz, aus dem heraus sich später das „Junge Theater“ mit seiner eher experimentellen Ästhetik entwickelte. Auch das hat Knapp maßgeblich mitbestimmt, nachdem er von seiner Hildesheimer Oberspielleiter-Zeit wieder zurück in Bremen war. Nun also Theaterschiff, schon in der dritten Produktion nach „Typisch Mann“ und dem anspruchsvolleren „Elling“. Mit Knapp sind etliche Jung-Theatniks dem Ruf des Boulevard gefolgt, auch Flügge. „Nirgends sonst muss man handwerklich so genau arbeiten“, erklärt Knapp den Reiz der Kunstform, unabhängig davon, dass das seit drei Jahren am Tiefer liegende Schiff bemerkenswert oft ausverkauft ist.

Also zurück zu den Pointen der „Männer“. Christin Bokelmann (Kostüme) hat Flügge in einen grauen Allzweck-Pyjama gesteckt, indem sie ihr unerwünschtes Single-Dasein durchlebt. Auf dem Stück-Flyer freilich posiert sie als eine Art „Caveman“-Pendant, mit Fellkleid, Einkaufstüten und einem Speer-haft geschwungenen Riesenmob. Will heißen: Auch Frau ist eine Jägerin, sie muss nur mal zum Angriff übergehen. Unschuldig ist sie in all ihrem Opfertum jedenfalls nicht, worauf uns unübersehbar die Schlusspointe aufmerksam macht. Das Ende nämlich ist ein Brocken – aus Schaumstoff und Pappmaché. Nach einem „Wer… der werfe“ erschlägt er die Darstellerin und verweist – wenn man logisch sein will – auf die offenbar geradezu überdimensionierte Unschuld des Publikums. Wenn man logisch sein will. HB

„Männer und andere Irrtümer“ – die nächsten Termine: 28., 29. und 30. 12. jeweils um 20 Uhr, am 31. 12. um 17 Uhr. Karten unter ☎ 0421/790 86 00.

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