Schutz in Spanien verweigert: Kein Asyl für verfolgten Sahraui
Hassanna Aalia nahm in der Westsahara an einem Protestcamp teil und wurde in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Spanien schützt ihn nicht.
MADRID taz | Hassanna Aalia kann es nicht glauben. „Seit dem 17. Lebensjahr wurde ich immer wieder von den marokkanischen Besatzungskräften verhaftet, misshandelt, gefoltert,“ erzählt der 26-Jährige aus der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara. Ein marokkanisches Militärgericht hat ihn 2013 für die Teilnahme an einem friedlichen Protestcamp gegen die Besatzung und für die Unabhängigkeit des Landstriches zwischen Marokko und Mauretanien zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Dennoch wurde sein Asylgesuch in Spanien abgelehnt.
Doch damit nicht genug. Der regierende konservative Partido Popular stimmte vor drei Tagen im spanische Parlament gegen einen Antrag der Opposition, Aalias Gesuch erneut zu überprüfenden. Der Antrag wurde von 120 NGOs und Initiativen unterstützt. Aalia hat vor dem Obersten Strafgericht Widerspruch gegen die Ablehnung seines Asylgesuchs durch das Innenministerium eingelegt. Falls nötig, will er bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Straßburg ziehen.
Das Protestcamp, das die marokkanische Militärjustiz Aalia zur Last legte, fand im Herbst 2010 unweit der Hauptstadt der seit 1975 besetzten Westsahara, El Aaiún, statt. 20.000 Menschen zelteten für die Unabhängigkeit. Das Militär räumte das Lager schließlich gewaltsam. Dutzende Menschen kamen dabei ums Leben.
„Mir wurde zusammen mit 24 anderen vorgeworfen, die 20.000 zu Teilnahme gezwungen zu haben“, berichtet Aalia. Außerdem behauptet Marokko, bei der Räumung seien elf Soldaten getötet worden. Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler: Es gibt dafür keine Beweise. Weder Leichname, noch Obduktionsberichte, nicht einmal Namen der mutmaßlichen Opfer.
Die spanische Regierung will die Beziehungen zu Marokko nicht belasten
Die 25 Angeklagten erhielten Haftstrafen zwischen 20 Jahren und Lebenslänglich. Aalia hatte Glück, er befand sich zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung in Spanien. „Das Verfahren gegen mich entbehrt jeder rechtlichen Grundlage“, beschwert sich Aalia. Denn es war das zweite Mal, dass er für die Teilnahme am Protestcamp abgeurteilt wurde. Nur kurz nach der Räumung verurteilte ihn eine ziviles Gericht zu vier Monaten auf Bewährung.
Aalia reist derzeit durch Spanien auf der Suche nach Unterstützern. Mehrere Regionalparlamente, auch solche mit PP-Mehrheit, sowie Stadt- und Gemeinderäte haben Resolutionen verabschiedet, in denen das Innenministerium aufgefordert wird, dem Asylgesuch stattzugeben. Aalia wird von Amnesty International und Human Rights Watch unterstützt. Die spanische Flüchtlingshilfsorganisation CEAR gewährt ihm Rechtsbeistand. Doch die Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy bleibt hart.
„Sie wollen die Beziehungen zu Marokko nicht belasten“, ist sich Anselmo Fariña von der Gruppe Saharacciones, die die Unabhängigkeitsbestrebung in der Westsahara unterstützt, sicher. „Jedes Mal, wenn sich Marokko unter Druck fühlt, kündigt das Königreich die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Migration, des Drogenschmuggels oder des Terrorismus auf. Das will Madrid nicht riskieren. Das Völkerrecht wird dem untergeordnet“, erklärt Fariña, der selbst 2010, wenige Monate vor dem Protestcamp, bei einem Besuch in den besetzten Gebieten festgenommen und misshandelt wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
BSW in Thüringen
Position zu Krieg und Frieden schärfen