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Wahl in NigeriaBuhari und die Hoffnung auf Wandel

Eigentlich dürfte ein Ex-Militärdiktator beim dritten Anlauf im Alter von 72 Jahren keine Chance auf die Präsidentschaft haben. Aber die Wahl gilt als offen.

Präsident Goodluck Jonathan (links) und Muhammadu Buhari einigen sich schriftlich auf „faire Wahlen“. Bild: ap

LAGOS taz | Es wird der ultimative Showdown. Noch nie seit Ende der Militärherrschaft in Nigeria vor sechzehn Jahren war ein Wahlausgang so offen. Noch nie musste die seit der Demokratisierung 1999 regierende People’s Democratic Party (PDP) ernsthaft um ihren Sieg fürchten.

Der wichtigste Herausforderer von Präsident Goodluck Jonathan ist Muhammadu Buhari und hat schon mehrmals gegen Jonathan verloren. Diesmal jedoch sorgt sein Oppositionsbündnis All Progressives Congress (APC) dafür, dass er auch außerhalb seiner Hochburgen im muslimischen Norden punkten wird.

Ein 72-jähriger ehemaliger General aus der etablierten Elite, der Nigeria schon einmal vor dreißig Jahren regierte, will also einen 57-jährigen Amtsinhaber aus einfachen Verhältnissen an der Wahlurne stürzen.

Goodluck Jonathan kommt aus einer Bootsbauerfamilie im Dorf Otuoke im Bundesstaat Bayelsa, mitten im sumpfigen Ölgebiet des bitterarmen Nigerdeltas. Ein geborener Politiker war er nicht. Als Nigeria 1999 die Militärherrschaft abschüttelte, nahm sich Bayelsas Gouverneur Diepreye Alamieyeseigha den jungen Jonathan als Stellvertreter, weil er so loyal und profillos war.

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Aber nur sechs Jahre später war Jonathan der Provinzgouverneur und Alamieyeseigha war in Großbritannien der Geldwäsche angeklagt. Seitdem weiß Jonathans Umfeld, dass man diesen ruhigen, uncharismatischen Mann nicht unterschätzen darf.

Nigeria wählt

Wähler: Am 28. März wählt Nigeria einen neuen Präsidenten samt Parlament. 56.431.255 der 68.833.476 registrierten Wähler haben ihre biometrischen Wählerausweise abgeholt. Die Wahl war für den 14. Februar angesetzt, wurde aber wegen des Krieges gegen Boko Haram verschoben.

Demokratie: Nigeria ist mit 180 Millionen Einwohnern Afrikas bevölkerungsreichstes Land. Von 1983 bis 1999 regierte das Militär, seitdem gibt es eine Demokratie. 2011 siegte Präsident Goodluck Jonathan gegen Muhammadu Buhari mit 59 zu 32 Prozent. Es folgten Unruhen mit 800 Toten. Diesmal wird noch mehr Gewalt befürchtet. (d.j.)

Nach kurzer Zeit wurde Jonathan Nummer zwei auf nationaler Ebene: als Vizepräsidentschaftskandidat der PDP bei den Wahlen 2007 unter Spitzenkandidat Umaru Musa Yar’Adua. Die PDP gewann, Jonathan wurde Vizepräsident. Aber nur drei Jahre später war Jonathan der Präsident und Yar’Adua war tot.

Im Schatten anderer aufgestiegen

Jonathan, sagen seine Gegner, ist immer im Schatten anderer aufgestiegen und musste sich nie anstrengen. Deshalb, folgern sie, ist seine Bilanz als Präsident auch so mittelmäßig.

Im Wahlkampf gibt Jonathan den Zurückhaltenden. Seine Wiederwahl sei keinen einzigen vergossenen Blutstropfen wert, hat er gesagt. Aber er schweigt, wenn seine Frau und seine Getreuen scharfe persönliche Angriffe auf Herausforderer Buhari fahren, oder wenn die ehemaligen Ölrebellen im Nigerdelta mit neuem Krieg für den Fall eines Sieges Buharis drohen.

Er behauptet, er habe keine Zweifel an seinem Sieg, aber ein siegessicherer Präsident würde sich nicht in der Schlussphase des Wahlkampfs ständig mit drittklassigen traditionellen Monarchen und wenig bekannten Künstlern treffen. Die Elite sieht darin einen Akt der Verzweiflung und eine für Jonathan typische Entweihung des höchsten Staatsamts.

Buhari ist in fast jeder Hinsicht das Gegenteil Jonathans. Der Karrieresoldat aus dem nördlichen Bundesstaat Katsina mischt schon seit fast einem halben Jahrhundert in Nigerias Politik mit. Inzwischen Generalmajor a. D. hat er sich durch seine kurze Zeit als Militärdiktator zwischen 1983 und 1985 dauerhaft ein Image als stahlharter, aber unkorrumpierbarer Autokrat mit eiserner Faust geschaffen.

Angesichts des Ausmaßes verschwundener öffentlicher Gelder in Nigeria unter Jonathan sind viele Nigerianer überzeugt, dass das Land eine neue Buhari-Radikalkur brauche. Und als Exgeneral gilt Buhari auch als besser verortet, um die terroristische Sekte Boko Haram auszulöschen. Sein Image ist aber nicht nur positiv. Nigerianer vergessen zwar schnell, doch sie vergeben selten. Buharis Hinrichtungen von Gegnern während seiner Herrschaft belasten sein Image.

Ob es für Buhari reicht, darauf mit dem Hinweis zu reagieren, dass er nicht die Vergangenheit ändern könne, wohl aber die Zukunft? Immerhin zieht kein Politiker so gigantische Menschenmengen an. Buhari verkörpert den Wandel, den viele Nigerianer herbeisehnen.

Das liegt nicht ausschließlich an ihm selbst, sondern daran, dass Nigerias Opposition es diesmal geschafft hat, geeint aufzutreten. Das Schlüsselereignis war, als im November 2013 fünf PDP-Bundesstaatsgouverneure aus der Regierungspartei austraten und sich Buharis Bündnis APC anschlossen. Die persönlichen Dramen dahinter sind der Kern zum Verständnis dessen, was sich heute in Nigeria abspielt.

Beispielhaft ist der Fall Chibuike Amaechi, Gouverneur von Rivers, Nachbarstaat von Jonathans Heimat Bayelsa. Jonathan und Amaechi waren lange persönlich befreundet. Aber erst entzweite sich Amaechi mit der First Lady, dann schlug 2012 Nigerias Oberstes Gericht die einträglichen Ölquellen von Soku der Region Bayelsa statt Rivers zu. Das vergab Amaechi dem Präsidenten nie.

Heute ist Amaechi der Wahlkampfmanager von Buhari. Seine Enttäuschung über Jonathan treibt den Eifer voran, mit dem er den Machtwechsel herbeiführen will. Deshalb ist jetzt das Niger-Flussdelta, bisher unumstrittene PDP-Hochburg, plötzlich umstritten.

Krumme Geschäfte

Das Gleiche gilt für Lagos, Nigerias größte Stadt. In Lagos und dem Umland war die PDP einst tief verwurzelt. Aber heute ist es eine Oppositionshochburg. Der erste Gouverneur von Lagos nach der Demokratisierung, Bola Tinubu, gilt als ein Architekt des Oppositionsbündnisses APC.

Die Beziehung zwischen Jonathan und Tinubu ist eine Art Hassliebe. Bei den letzten Wahlen 2011 war klar, dass Jonathan gewinnen würde, und so stellte sich Tinubu samt seiner Partei ACN (Action Congress of Nigeria) hinter ihn. Die Belohnung, sagt man, war viel Geld von der Zentralregierung für die Modernisierung der Megalopole Lagos und staatliches Gewährenlassen für Tinubus weitreichende private Geschäftsinteressen.

Davon hat Tinubu profitiert – aber Jonathan nicht. Denn Tinubu sieht keinen Grund, weiter den Präsidenten zu stützen. Er hat sich stattdessen der APC angeschlossen, um für sie als „Königsmacher“ im Südwesten Nigerias zu agieren. So bleibt er als graue Eminenz Strippenzieher in Lagos, das mit seiner riesigen Wählerschaft durchaus die Wahl entscheiden könnte.

Präsident Jonathan ist dagegen machtlos. Er reiste in jüngster Zeit ständig nach Lagos, aber zu Tinubu fiel seinem Wahlkampfteam nichts Besseres ein, als im Staatsfernsehen einen 30-minütigen Dokumentarfilm über die krummen Geschäfte des Exgouverneurs endlos wiederholen zu lassen. Das ist kein geeignetes Mittel, um Lagos für Jonathan zurückzuerobern, denn der Präsident selbst gilt nicht gerade als sauber.

Korruptionsanklagen fallengelassen

Jonathans Wahlkampfmanager ist Femi Fani-Kayode, dem Nigerias Antikorruptionsbehörde EFCC schon 2008 wegen Korruption in Höhe von 300 Millionen Dollar den Prozess machen wollte. Anfang 2014 sagte Fani-Kayode, Präsident Jonathan sei „ein Präsident, der ständig sein eigenes Wort bricht, der seine Partei zerstört und sein Land gespalten hat.“ Es werde sich in Nigeria nichts zum Besseren ändern, solange Jonathan an der Macht bleibe.

Im November 2014 erklärte Fani-Kayode plötzlich, er unterstütze Jonathan und wurde dessen Wahlkampfmanager, woraufhin 38 der 40 Korruptionsanklagen gegen ihn fallengelassen wurden.

Feni-Kayode ist der bekannteste, aber nicht der einzige korrupte Politiker Nigerias, der gelernt hat, dass man nur Jonathan zu unterstützen braucht, um vor Strafverfolgung sicher zu sein. Für Jonathan und seine PDP ist das finanziell sehr lohnend. Ein einziges Fundraisingdinner des Präsidenten im Dezember brachte umgerechnet fast 100 Millionen Euro ein.

Buhari, der seine Karriere auf den Kampf gegen Korruption gründet, kann da nicht mithalten, von den Schatullen Tinubus und Amaechis abgesehen. Seine Stärken sind andere: Er sorgt dafür, dass Jonathan im muslimischen Norden kaum noch ein Bein auf den Boden bekommt. Während Buhari im Süden problemlos Wahlkampf machen kann, werden Jonathans Wahlkampftouren im Norden meist gewaltsam gestört.

Wie im Feindesland

Der Präsident hat im Norden sogar Schwierigkeiten, Busfahrer anzuheuern. Er lässt sich durch massive Armeekonvois schützen, als sei er in Feindesland. Als hingegen Buhari in der Stadt Maiduguri auftrat, die vom Terror Boko Harams gebeutelt ist, war der zentrale Platz so voll, dass der Exgeneral gar nicht bis zur Bühne durchdrang. Seine größte Wahlkampfkundgebung im Kriegsgebiet endete ohne ein einziges Wort von ihm.

Klar ist, dass Buhari im Norden abräumen wird, Jonathan aber nicht im Süden. Entscheidend wird sein, ob Buhari diesmal tatsächlich den Südwesten um Lagos für sich gewinnt. Wichtig wird auch der sogenannte Middle Belt um die Hauptstadt Abuja, der weder eindeutig zum christlichen Süden noch zum muslimischen Norden gehört.

Die Wahl zwischen Jonathan und Buhari ist auch eine zwischen verschiedenen Gründen: ethnische Loyalität, Korruption, finanzielle Anreize. Es gibt viele, die am Ende doch für Jonathan stimmen werden, aus Aversion gegen die nördliche Elite und deren Haltung, sie hätten ein natürliches Recht auf die Macht. In den ländlichen Gebieten und den städtischen Slums dreht sich alles, wie immer, um den Magen: Der größte Geber zur rechten Zeit bekommt die Stimme.

Der Autor ist Chefredakteur der nigerianischen Onlinezeitung „The Cable“ und schrieb diesen Text für die taz. Übersetzung aus dem Englischen: Dominic Johnson

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