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Ein Bauer verteidigt die BodenhaltungIn der Defensive

Martin Gramke hält seine Hennen im Stall – ohne schlechtes Gewissen. Seinen Tieren gehe es gut, sagt er.

Konventionelle Liebe: Martin Gramke mit Stall-Huhn. Bild: Andrea Scharpen

LEBATZ taz | Die Zufahrt zum Hof ist offen. Kein Zaun, kein Stacheldraht hält Besucher fern. Nur ein Schäferhund bellt zwischen den Ställen. Landwirt Martin Gramke riegelt seinen Hühnerhof im schleswig-holsteinischen Lebatz bei Ahrensbök nicht vor der Außenwelt ab. Er möchte ihn zeigen.

Die Medien zeichneten ein falsches Bild von der konventionellen Hühnerhaltung, sagt der 36-Jährige. Im Aufenthaltsraum seiner Mitarbeiter stehen eine kleine Küche und eine Waschmaschine neben einem langen Tisch und grauen Stühlen. An der Tür hängt das Bild eines stark zerrupften Hahns und dem Spruch „Scheißegal, wie der Tag gelaufen ist, immer hoch erhobenen Hauptes nach Hause gehen“ – Hühnerhalterhumor.

Viele Medienberichte zeigten ausgemergelte, federlose Hühner in zu engen Ställen und suggerierten, dass es überall in der Bodenhaltung so aussehe, sagt Gramke. Er zieht die Augenbrauen zusammen. „Nicht, dass Sie nachher etwas Falsches schreiben“, sagt er. Die Angst, als Tierquäler verleumdet zu werden, ist groß. Es geht um seine finanzielle Existenz – Gramke hat den Hof erst im Sommer übernommen. Er vermarktet seine Eier unter dem Namen „Holstein-Ei“ und beliefert große Supermarktketten wie Edeka oder Rewe direkt.

Letztlich hat Gramkes Wunsch nach Transparenz über seinen Argwohn gesiegt. 20.000 Hühner hält er auf seinem Hof, 5.000 davon in Freilandhaltung mit Wintergarten für schlechtes Wetter und einer großen Wiese, den Rest in Bodenhaltung. Diese Bodenhaltungs-Hühner verbringen ihr ganzes Leben im Stall. Trotzdem sei das Bodenhaltungs-Ei kein schlechtes Ei, sagt Gramke. Die Hühner hätten einen Bereich zum Scharren und könnten sich im Stall frei bewegen. Dreimal am Tag kontrollieren der Landwirt und seine Mitarbeiter die Anlage. Schauen, ob der Kot auf den Förderbändern abtransportiert wird, schippen die Reste mit Schaufel und Schubkarre selbst aus dem Stall und prüfen die Wasserversorgung und die Futterbänder.

Gramke arbeitet gern mit den Tieren. „Ohne Freude und Elan geht es nicht“, sagt er. Der Hühnerhof ist ein 24-Stunden-Job. Er muss auch nachts raus, wenn die Alarmanlage angeht, weil eine Lüftung defekt ist. Die Kritik vieler Tierschützer, dass in der Bodenhaltung zu viele Hühner zusammenleben, kann er nachvollziehen. Große Gruppen bedeuten für die Tiere mehr Stress und häufigere Rangkämpfe. „Eine Gruppengröße von 30 bis maximal 50 Hühnern wäre optimal“, sagt Gramke. Aber davon könne kein Halter leben.

Eine schlechte Alternative ist die Bodenhaltung seiner Meinung nach trotzdem nicht, sie sei sogar hygienischer. Hühner aus der Freilandhaltung könnten Dioxinrückstände im Boden aufpicken – oder den Kot von Wildvögeln. Wenn der mit Viren wie denen der Vogelgrippe H5N1 belastet sei, rolle der „Vogelschredder“ von der Veterinärbehörde auf den Hof. „Es ist auch zum Wohle der Tiere, wenn sie nicht krank werden“, sagt Gramke.

Huhn auf grüner Wiese

Seinen Betrieb würde er trotzdem gern ganz auf Freilandhaltung umstellen – nicht um der Tiere willen, sondern weil die Verbraucher das wollten. Die Eier aus der Freilandhaltung seien stark gefragt, sagt Gramke, der finanziell auch an einem Biohof beteiligt ist. Das Bild von einem Huhn auf grüner Wiese sehe einfach schöner aus. Doch auf seinem Grundstück reicht der Platz für Freilandflächen nicht aus.

Für die Hühner sei die Bodenhaltung genauso gut, glaubt Gramke, und das will er jetzt beweisen. Er steigt in einen beigen Overall und Gummischuhe. Besucher müssen einen weißen Wegwerf-Anzug wie beim Malern und blaue Schuhüberzieher aus Plastik tragen. Seine größte Angst ist, dass Fremde bei den Hühnern Keime oder Krankheiten einschleppen.

Im Vorraum des Stalls ist es düster, eine flauschige Feder segelt von der Decke. Dann tritt Gramke in den eigentlichen Hühnerstall ein. In der unteren Ebene scharren nur wenige braune Hühner im trockenen Streu. Der Geruch und der Staub in dem lang gezogenen Raum nehmen einem trotzdem den Atem. Die Hennen kommen neugierig näher, picken munter im Streu herum. Gramke greift zu und nimmt ein Tier mit geübtem Griff auf den Arm. Es schlägt wild mit den Flügeln, beruhigt sich aber schnell. Er berührt den Kropf des Huhns, darin sammelt sich die Nahrung. Der Kropf ist gut gefüllt, Gramke wirkt zufrieden. Das Huhn sieht gesund aus. Das Federkleid ist voll, der Kamm rot. Gramke setzt das Tier auf den Boden. „Als Landwirt will ich, dass es meinen Tieren gut geht“, sagt er. Auch aus wirtschaftlichem Interesse, denn nur dann legen die Hennen viele Eier.

Er zieht die Stalltür hinter sich zu. Über Rampen können die Hennen in die obere Etage klettern. Gramke nimmt die Holztreppe im Vorraum. Er klopft zweimal laut mit der Faust an die Tür. „Damit wir die Herde nicht aufscheuchen.“ Dann öffnet er vorsichtig die Tür. Direkt dahinter sitzen dicht an dicht gurrende Hennen auf Eisenstangen. Am späten Nachmittag haben sich fast alle Hennen in den oberen Bereich zurückgezogen. 2.000 Tiere leben in diesem Stall, sagt Gramke. Der Gesetzgeber erlaube eine noch höhere Besatzdichte, doch er fand das für die Hennen zu unübersichtlich.

Tierschützer fänden in seinem Stall trotzdem etwas zu meckern. Die Schnäbel der Hühner sind um einige Millimeter gekürzt, damit sie sich nicht gegenseitig die Federn auspicken. Schon als Küken wird die Schnabelspitze mit einem Laser weggeschnitten. Eine schmerzvolle Prozedur. In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist die Praxis ab 2017 verboten. „Wir wollen umstellen, sobald es Alternativen gibt, die das Federpicken verhindern“, sagt Gramke. Es müsse jedoch absolut sicher sein, dass sich die Tiere mit spitzem Schnabel nicht verletzten.

Zum Eierlegen ziehen sich die Hennen in abgedunkelte Nester im oberen Bereich des Stalls zurück. 18.000 Stück legen seine Hühner am Tag. Ein Förderband bringt die braunen Eier von dort direkt in die große Packhalle gegenüber – vollautomatisch und kameraüberwacht.

Gramke hat die Halle erst im letzten Jahr gebaut und fast eine halbe Million Euro in die Anlage investiert. Hier werden die Eier durchleuchtet und auf Haarrisse oder Verschmutzungen untersucht. Die aussortierten Eier gehen an die Industrie, die hartschaligen, sauberen Eier werden von Mitarbeiterinnen in Pappkartons verpackt. Auf jeder Schachtel stehen sein Name und seine Telefonnummer. „Dann kann jeder Kunde fragen, wo das Ei herkommt“, sagt Gramke, „für völlige Transparenz.“

Mit den Eierkartons düst sein Fahrer dann direkt zu den Kunden. „Frischer geht’s nimmer – das können Sie schreiben!“

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