Israel-Flagge im Fußballstadion: Fahnenscheinige Begründung
Ein Einsatzleiter der Berliner Polizei lässt im Stadion von Union eine israelische Fahne abhängen, weil er sie als politisches Statement wertet.
BERLIN taz | Eigentlich ging es am Sonntag beim Spiel zwischen Union Berlin und dem FC Ingolstadt um nicht mehr viel. Union ist der Klassenerhalt und Ingolstadt der Aufstieg in die erste Liga kaum noch zu nehmen. Aber der für die Sicherheit im Stadion zuständige Polizeiführer sah dennoch Bedrohliches: eine israelische Fahne am Zaun des Gästeblocks, die zu Ehren des israelischen Spielers Almog Cohen dort angebracht war.
Mit dem Argument der „Gefahrenabwehr“, wie Union-Pressesprecher Christian Arbeit berichtete, ließ der oberste Ordnungshüter im Stadion die Flagge abhängen. Der Berliner Polizeipräsident stellte am Montag klar: „Es ist Aufgabe der Polizei, die Meinungsfreiheit zu schützen. Die Aufforderung zum Einrollen der Flagge war eine Fehlentscheidung, für die ich bei den Betroffenen um Entschuldigung bitte.“ Der Einsatzleiter habe das Zeigen der Flagge für ein politisches Statement gehalten.
Wie Thomas Neuendorf, der Leiter der Pressestelle der Berliner Polizei, im Gespräch mit der taz präzisierte, sei der verantwortliche Polizist vor Ort davon ausgegangen, dass Nationalfahnen grundsätzlich eine politische Meinungsäußerung darstellten und er demnach auch das Zeigen der französischen oder deutschen Fahne für unzulässig hielt.
Ein wahrlich kurioses Missverständnis – zumal der Einsatzleiter, wie Neuendorf bestätigte, „ein langjährig tätiger Beamter“ sei. Sowohl im Olympiastadion als auch in der Alten Försterei sind immer wieder Nationalfahnen zu sehen. In einer Pressemitteilung bekräftigte auch der FC Ingolstadt die Version der Polizei. Man habe im Stadion die Erklärung erhalten, in Berlin sei grundsätzlich das Zeigen von Nationalflaggen im Stadion verboten. Doch wie konnte der erfahrene Beamte nur auf eine solch abwegige Regelauslegung kommen? Neuendorf antwortete: „Wir werden mit dem Beamten Gespräche führen und sie auswerten. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.“
Der Vorgang schlug vor allem deshalb heftige Wellen, weil Ingolstadts israelischer Spieler Cohen wiederum twitterte, ein Ordner habe ihm erklärt, nur die jüdische Flagge sei an der Alten Försterei verboten. Zudem verbreitete die Bild-Zeitung die Behauptung, die Polizei habe die Fahne wegen der großen palästinensischen Gemeinde in der Stadt einbehalten.
Union-Pressesprecher Arbeit räumte ein, dass man als gastgebender Verein und Veranstalter des Spiels sich über die Anweisung der Polizei hätte hinwegsetzen können. Man habe aber angesichts des Arguments der „Gefahrenabwehr“ davon Abstand genommen, weil der Verein nicht über die Kenntnisse der Polizei verfüge. „Wenn danach irgendetwas passiert wäre, wären wir in der Verantwortung gewesen.“
Interessant sind indes die Debatten, die in den Foren von Union-Berlin-Fans geführt werden. Ein User postete: „Ich finde das völlig ok, wir haben immer das Motto, keine Politik im Stadion. Das sollte auch so bleiben. Wenn du da mit Ausnahmen anfängst wird es mehr und mehr Randgeräusche geben.“ Die Ansicht, dass die israelische Fahne als politisches Statement zu werten ist, teilten etliche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen