Verpasst?: Völlig fertig
„Tagesthemen“, 22.45 Uhr, ARD
„Anja Osthoff kann die Freilassung ihrer Schwester noch gar nicht fassen“, moderiert Ulrich Wickert. Das ist verständlich, sie hat gerade erst davon erfahren. Osthoff ist blass, wirkt abwesend und müde. In solchen Momenten möchte man wohl in Ruhe gelassen werden. Dennoch ringt sich Osthoff ein Statement ab. Auch ihr Bruder Robert ist nicht wirklich gefasst. Das schützt ihn aber nicht vor einer Live-Schaltung mit Wickert. Robert Osthoff sitzt vor einem Altar, blickt abwechselnd zu Boden und an der Kamera vorbei. „Meine Mutter ist völlig fertig“, sagt er, und dass er gerne mit seiner Schwester sprechen würde. Wickert fragt, ob ihn das Auswärtige Amt unterstützt habe. Osthoff erzählt etwas von Intimsphäre, dass einem da eh keiner helfen könne, dass er von den Verhandlungen nur „durch die Blume“ erfahren habe und dass man beten müsse, beten. Seine Antworten sind wenig konkret. Wickert unterbricht: „Sie kennen ja ihre Schwester“ – obwohl Osthoff vorher gesagt hat, er habe seit Jahren keinen Kontakt mehr. Ob sie vielleicht selbst ihre Freilassung ausgehandelt habe, will Wickert wissen. „Sie ist eine starke Person, sie ist halt so“, antwortet er – und wiederholt zum Schluss ein Wort, das seine Gefühle während der Entführung seiner Schwester zusammenfasst. Es trifft aber auch auf ein unnötiges Live-Interview mit völlig überforderten Angehörigen in einer Extremsituation zu: „Wahnsinn“.
Die eigene Privatsphäre scheint Wickert wichtiger: Eine für die nächste Ausgabe des Magazins Park Avenue geplante Homestory soll er kürzlich abgesagt haben.
KERSTIN SPECKNER
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