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Strompreise werden zum Politikum

Zunehmend entdecken Wirtschaftspolitiker diverser Parteien, dass steigende Energiekosten Wähler verärgern

„Wir müssen ausländische Betreiber reinholen, um mehr Wettbewerb zu erreichen“

BERLIN taz ■ Strom wird in Brandenburg zum Jahresanfang teurer – um durchschnittlich 1 Cent je Kilowattstunde. Das zuständige Wirtschaftsministerium erklärte, der Preisanstieg sei bei 17 Unternehmen nicht zu beanstanden gewesen. In neun Fällen habe man nachgebessert.

Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) vertagte dagegen gestern die Entscheidung, höhere Preise zu genehmigen. „Es sind noch Details zu klären“, erklärte sie nach einem Termin mit RWE-Managern. Das Unternehmen hatte eine Anhebung um mehr als einen Cent je Kilowattstunde beantragt. Die Politik reagiert derzeit beim Thema Strompreise ausgesprochen impulsiv. „Die Preise müssen runter, weil viele Verbraucher die Preise einfach nicht zahlen können“, erklärte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). „Es sieht so aus, als ob 28 Stadtwerke ihre geplante Erhöhungen auf 30 bis 50 Prozent senken“, frohlockte Thüringens Wirtschaftsminister Minister Jürgen Reinholz (CDU). Parteikollege Dietrich Austermann, Wirtschaftsminister in Kiel, schlug im Deutschlandradio sogar vor, „dass wir ausländische Betreiber reinholen“, um mehr Wettbewerb zu erreichen.

Solche Forderungen sind absurd. Gestiegene Rohstoffkosten sind dafür verantwortlich, dass vielerorts die Produzenten neue Preiskalkulationen zur Genehmigung einreichen. Allerdings – da beginnt der Streit – gehen Rohstoffkosten nur zu etwa 15 Prozent in den Endpreis ein.

Die Preisbildung funktioniert so: Für die innerbetriebliche Prüfung ist die neu gegründete Bundesnetzagentur verantwortlich (die frühere Regulierungsbehörde für die Telekom). „Mehr als 70 überregional agierende Unternehmen mussten uns bis Ende Oktober die Unterlagen zu ihren Netzpreisen vorlegen“, so Agentursprecher Rudolf Boll. In einem halbjährigen Prüfverfahren kontrolliert die Behörde jetzt, ob die Kalkulation gerecht ist. „Wir durchleuchten also 40 Prozent des Strompreises“, so Boll. Für die anderen Prozente sind die Kartellämter zuständig – für kleinere Anbieter auf Landesebene, für überregionale das Bundeskartellamt. Sprecherin Irene Sewiczyk: „Wir prüfen, ob die Endpreise für die Kunden fair sind.“ NICK REIMER

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