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Strompreis-Populismuskommentar von stephan kosch

Jahrelang haben die Stromkonzerne still und stetig ihre Preise erhöht. Dass diese von Landesbehörden genehmigt werden müssen, war nur in Fachkreisen ein Thema – und auch dort kein Aufreger, denn in der Regel wurden die beantragten Erhöhungen abgenickt und durchgewunken. Die Kontrolleure stellten sich als zahnlose Tiger dar, vor denen man sich nicht fürchten musste. Schließlich war die öffentliche Hand eng verwoben mit den heutigen Konzernen, so manche Kommune hatte Aktien an Versorgern, die wiederum in einer Vielzahl von Gremien Politiker umsorgten.

Ist denn schon Weihnachten? Denn plötzlich kommt Leben in die Amtsstuben. Hessen machte den Anfang und lehnt unter großem Medienrummel die beantragten Tariferhöhungen ab. Nordrhein-Westfalen will die Pläne von RWE noch mal prüfen, Thüringen die vorgesehen Erhöhungen halbieren. Und auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff schwingt sich zum Anwalt der Armen und Schwachen auf und fordert Preissenkungen, weil viele Verbraucher die Preise angeblich nicht zahlen können.

Spätestens an diesem Punkt trübt der populistische Ton die Freude über den vermeintlichen Schutz des kleinen Kunden. Der hat zwar was dagegen, dass Unternehmen mit Verweis auf den sicheren Strom in Deutschland hohe Preise verlangen – und dennoch versäumen, alte Stahlmasten zu sanieren. Doch der Kleinkunde weiß auch: Energie ist in Deutschland eher zu billig als zu teuer, zumindest mit Blick auf knapper werdende Ressourcen und Klimawandel. Kaum ein Privatmann beschwert sich darüber, dass er rund 1,50 Euro pro Monat für die Förderung von erneuerbaren Energien ausgibt. Stattdessen kümmert er sich um die Effizienz seiner Geräte und kauft sparsame Kühlschränke und Glühbirnen.

Verstärkte Preiskontrollen in den Bundesländern sind sinnvoll, wenn das eingesparte Geld nicht sinnlos verballert wird. Gelegenheit, es besser auszugeben, gibt es viele: die weitere Förderung von Windkraft und Solartechnik, verbesserte Dämmung, Geräte, Forschung für noch sparsamere Geräte und Motoren. Und dass dabei die klimaschädlichen CO2-Emissionen sinken, ist mehr als ein Nebeneffekt.

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