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■ Bastard Deutschland 2011, B. & R: Carsten Unger. D: Martina Gedeck, Markus Krojer, Antonia Lingemann
Ein Debütfilm, der hochgelobt wurde bei den Hofer Filmtagen 2011vom „Bayerischen Rundfunk“ bis zum „Westfalenblatt“. Und: Der Film hat das Prädikat „besonders wertvoll“ bekommen.
Ein Kind im Grundschulalter ist verschwunden, still und laut leidende Eltern – das ist dem Nachwuchsregisseur noch nicht dramatisch genug. Schon die Schwarzlichtaufnahmen, die den entführten Nicolas in seinem fensterlosen Kellerverlies zeigen, wirken wie mit einem (teuren) Smartphone aufgenommen und deuten auf die Beteiligung von Teenagern. Was wie ein klassischer Polizeifilm beginnt, mit Martina Gedeck als Polizeipsychologin Claudia Meinert, bekommt bald einen Dreh, in dem ein Drama eingebaut wird, dass schon ohne jeden verstärkenden Effekt eines ist: Die Pubertät.
Zwei 13-jährige, Leon (Markus Krojer) und die gleichaltrige Mathilda (Antonia Lingemann) scheinen ungerührt zu sein vom verschwinden von Nicolas. Sie geben sich ultracool, wollen kein Opfer sein wie der verschwundene Junge. Gegenüber der Polizeipsychologin verhält sich Leon extrem auffällig, mitleidlos und abgeklärt. Welches persönliche Drama hat er in sich verschlossen? Die beiden Pubertierenden leben in völlig unterschiedlichen sozialen Welten, einer reichen und einer armen disfunktionalen Familie. Hier hat sich der Regisseur als sein eigener Drehbuchautor keinen Gefallen getan: Wie im Script-Seminar an der Filmhochschule gebaut lebt das Mädchen bei ihrer alleinerziehenden Mutter, Alkoholikerin, die im Vollrausch von ihrer Tochter in die Dusche gestellt werden muss. Bildaufbau dazu: Ranfahrt Hochhaus, Reinfahren Wohnungsflur voller Hardalk-Flaschen, Töpfe mit Essensresten auf dem Herd.
Aber Bindungsstörung durch emotionale Vernachlässigung geht auch anders: Villa, Benz vor der Tür, Speisen am Glastisch, Edelfisch auf Edelservice. Wie bei einem Verhör sitzt Leon auf der einen Seite des Tisches, matscht lustlos im Fisch, gegenüber das Elterntribunal.
Die Kriminalpsychologin merkt den Eltern des vermissten Kindes an, dass etwas nicht stimmt. Was hat Nicolas Mutter (Beate Maes) zu verbergen? Und warum taucht Leon immer wieder bei den Eltern von Nicolas auf? Der hochintelligente Junge – das Villa-Gen? - lässt die Eltern sehen, dass er Nicolas Uhr hat. Woher, wollen sie wissen. Ein Psychoscharmützel beginnt, auch Mathilda mischt mit. Durch die Not der Eltern sind sie im Vorteil. Da tritt die Psychologin auf - um das dunkle Geheimnis um Nicolas Verschwinden zu entschlüsseln. Die Stärke des Filmes: Leon und Mathilda werden nicht nur kaltblütig gezeigt, sondern auch als emotional vernachlässigt. Ein seelischer Abgrund tut sich auf, der sich nicht mit materiellen Geschenken an die Kinder zuschütten lässt. Gaston Kirsche
Mi, 20.15, Abaton, Salvador-Allende-Platz 3. Premiere mit Carsten Unger und Darsteller Stephan Schad.
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