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Klare absolute Mehrheit für Evo Morales

Nachdem sein Rekordsieg amtlich ist, spricht Boliviens designierter Präsident über die Grundsätze seiner Regierung

„Wir werden den USA einen Pakt anbieten: Null Kokain, aber nicht null Koka“

PORTO ALEGRE taz ■ Jetzt ist es amtlich: Bei der bolivianischen Präsidentenwahl am Sonntag hat Evo Morales die 50-Prozent-Hürde noch souveräner genommen als zunächst erwartet. Nach der Auszählung in 94,4 Prozent der Stimmbezirke kam er auf 54,1 Prozent. Sein liberaler Kontrahent, der frühere Präsident Jorge Quiroga, brachte es auf 28,6 Prozent. Noch deutlicher wäre der Sieg wohl ausgefallen, hätte die nationale Wahlbehörde seit Dezember 2004 nicht über eine Million WählerInnen aus dem Wahlregister entfernt.

Doch Evo Morales und seine Bewegung zum Sozialismus (MAS) werden nicht durchregieren können: Sechs der neun erstmals gewählten Gouverneure gehören dem bürgerlichen Lager an. In der MAS-Hochburg Cochabamba etwa, wo Morales mit 64,8 Prozent triumphierte, muss er sich mit dem früheren Bürgermeister Manfred Reyes Villa arrangieren.

Auch wenn er sich an die Anrede „Herr Präsident“ noch gewöhnen muss: Der 46-jährige Aymara-Indianer gibt sich selbstbewusst und staatsmännisch. „Wir werden den USA einen Pakt anbieten: Null Kokain, null Drogenhandel, aber nicht null Kokablätter“, sagte er in seiner ersten Pressekonferenz. „Wir wollen nicht mehr, dass der Kampf gegen Drogen als Vorwand für geopolitische Interessen, für militärische Interventionen dient.“ Washington müsse das klare Votum der Bolivianer respektieren, bekräftigte Evo Morales.

Seine Prinzipien in der Energiepolitik wiederholte Morales ebenfalls: „Wir werden unsere Ressourcen verstaatlichen, ohne die transnationalen Firmen zu enteignen. Wir brauchen keine Herren, sondern Partner.“ Das gelte vor allem auch für die Verarbeitung von Erdgas und Erdöl im Lande selbst: „Es geht nicht an, dass die Multis weiterhin die Brennstoffpreise in Bolivien bestimmen.“

Seine eigene Basis beschwor Morales vorgestern, sich ohne Hintergedanken an persönliche Vorteile an die Arbeit zu machen. „Wir sind nicht dazu da, um Posten verteilen, sondern um das Land zu verändern“, rief er vor knapp 500 MAS-Getreuen. Der Wahltriumph sei „kein Freibrief, damit jeder machen kann, was ihm einfällt. Wir dürfen nicht vom Volk leben, sondern wir müssen dem Volk dienen.“

Einen Streich, den ihm der spanische Radiosender Cope gespielt hatte, nahm er gelassen. Ein Moderator hatte sich als Spaniens Regierungschef Rodríguez Zapatero ausgegeben und ihn zu einem Staatsbesuch eingeladen. In dem Gespräch erinnerte Morales den falschen Zapatero an ein Versprechen der spanischen Regierung, ihre Wirtschaftshilfe an Bolivien zu verdoppeln.

Wenn Morales am 22. Januar ins Amt eingeführt wird, will er sich volksnah geben. „Ich gehe zu dem Staatsakt, wie ich bin. Ich werde mein Glückshemd vom Wahltag anziehen, und darüber meinen Kittel.“ Nach der ersten Amtseinführung im Parlamentsgebäude von La Paz gibt es auf der nahe gelegenen Plaza de San Francisco eine zweite für die Bevölkerung. GERHARD DILGER

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