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Erster Galileo-Satellit hebt ab ins All

Morgen früh startet Europas größtes Weltraumprojekt: Der erste Satellit des Navigationssystems Galileo wird dann vom Raumfahrtbahnhof Baikonur in 23.000 Kilometer Höhe geschossen. Galileo will dem US-System GPS Konkurrenz machen

VON KENO VERSECK

Jahrelang versuchten die USA ein eigenständiges europäisches Satelliten-Navigationssystem zu verhindern. Genauso lange stritten die EU-Staaten untereinander um die Finanzierung und Kompetenzverteilung. Doch nun baut Europa Galileo – nach dem Vorbild des amerikanischen GPS, dem Global Positioning System. Morgen startet der erste von zwei Testsatelliten: „Giove A“ wird vom russischen Raumfahrtbahnhof Baikonur aus in die Erdumlaufbahn geschossen. Galileo wird das erste System zur Positionsbestimmung aus dem Weltall sein, das nicht unter militärischer Oberhoheit steht. Es ist das bislang größte europäische Weltraumprojekt.

Eine russische Sojus-Trägerrakete soll den 600 Kilogramm schweren Satelliten in 23.000 Kilometer Höhe bringen. Dort soll „Giove A“ zwei Jahre lang die künftige Galileo-Technik testen. Darunter: neuartige, extrem genau gehende Atomuhren und Geräte zur Signalerzeugung für Positionsberechnungen. Die wichtigste Aufgabe des Testsatelliten ist jedoch eine formale – die Sicherung der Frequenzrechte. Laut Vorgabe der Internationalen Telekommunikationsunion (ITU) muss ein Galileo-Satellit bis Anfang Juni 2006 in der vorgesehenen Umlaufbahn sein, ansonsten verfällt der Anspruch auf die Frequenzen, mit der das Navigationssystem arbeiten wird.

Deshalb hat die Europäische Raumfahrtagentur ESA auch für einen Fehlstart von „Giove A“ vorgesorgt: Nächstes Jahr soll ein zweiter Testsatellit, „Giove B“, gestartet werden. Bis zum Jahr 2008 sollen dann die ersten vier regulären Galileo-Satelliten folgen. Ab 2010 soll das fertige System mit seinen 30 Satelliten, darunter drei Reservesatelliten, einsatzbereit sein. Entwicklung und Aufbau des Systems werden dann 3,6 Milliarden Euro verschlungen haben.

Galileo wird im Unterschied zum amerikanischen GPS ausschließlich zivil geleitet. Außerdem wird es weitaus präziser arbeiten als das US-System. Mit Galileo soll nämlich eine Positionsbestimmung mit nur einem Meter Abweichung möglich sein. Demgegenüber lässt GPS für die zivile Nutzung – durch absichtlich verschlechterte Signale – nur eine Bestimmung auf 20 bis 50 Meter Genauigkeit zu. Das US-Militär kann GPS außerdem jederzeit ohne Vorankündigung und ohne Anspruch auf Schadensersatz sperren. Während des Irakkriegs 2003 schränkten die USA die zivile GPS-Nutzung zeitweise ein, im Krieg gegen Jugoslawien 1999 wurde GPS für den außermilitärischen Gebrauch manchmal ganz abgeschaltet.

Bisher sind die USA Monopolisten im Satelliten-Navigationsgeschäft. Nur Russland verfügt mit Glonass über ein ähnliches, allerdings noch nicht fertig gestelltes System. Dieses wird ebenfalls vom Militär betrieben. Erst am Sonntag waren drei neue Glonass-Satelliten in eine Erdumlaufbahn gebracht worden.

Aus Furcht vor unliebsamer Konkurrenz hatten die USA denn auch lange Zeit versucht, die Europäer von Galileo abzubringen. Vor knapp zwei Jahren gaben sie dann aber ihren Widerstand auf: Im Juni 2004 wurde schließlich vereinbart, das GPS, Glonass und Galileo sich gegenseitig ergänzen und Teil eines künftigen Global Navigation Satellite System (GNSS) werden.

Um die Amerikaner nicht zu verärgern, gaben sich die beiden Initiatoren von Galileo, die EU und die ESA, lange Zeit zurückhaltend. Heute sprechen sie dafür umso klarer von Konkurrenz: „Das Unternehmen stärkt die strategische, politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit Europas.“ Das Prestigeprojekt soll vom kräftig wachsenden Weltmarkt für die Navigation von Schiffen, Autos und Flugzeugen profitieren. Es geht um Milliardenumsätze. Zudem soll Galileo, so verspricht die EU-Kommission, mehr als 100.000 Arbeitsplätze schaffen.

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