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Allein statt im Heim

BEHINDERTE MENSCHEN

Eine eigene Wohnung in der Stadt ist besser als ein Zimmer in einer Sammelunterkunft. Wenn Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen inmitten gesunder Nachbarn leben, profitieren alle: Es ist gut für eine Gesellschaft, wenn die Rechte ihrer schwächsten Mitglieder gestärkt sind. Es ist gut, wenn Menschen mit vielfältigen Lebensentwürfen einander tolerieren. Zudem sparen alle Geld, wenn der Staat nicht mehr rund um die Uhr für die Betreuung Einzelner zahlt – sondern nur noch für ambulante Helfer, die regelmäßig zu Besuch kommen. Das ist die Idee von Inklusion.

So nennt es auch die Evangelische Stiftung Alsterdorf in Hamburg, wenn sie Menschen mit Behinderungen nicht mehr in den riesigen Anstalten der 80er-Jahre sondern in Stadtteil-Appartements unterbringt. Doch in den Wohngruppen der Stiftung lebten auch Erwachsene mit sehr schweren Beeinträchtigungen: solche, die sich nicht allein bewegen, geschweige denn mit ihren Mitbewohnern unterhalten können. Einige dieser Bewohner haben nun trotzdem eine eigene Wohnung. Ohne Betreuer sind sie dort allein.

Mitarbeiter der Stiftung sagen, ihnen fehle die Zeit, sich mit diesen schwerstbehinderten Mietern zu beschäftigen. Denn es sei sehr viel Personal abgebaut worden, seit es die Wohnungen gibt. Angehörige klagen, den Bewohnern fehlten Spaziergänge an der frischen Luft und die Gemeinschaft der Gruppe, mit der sie in den Wohnheimen zusammenlebten. Ein junger Mann säße oft noch am Nachmittags regungslos dort, wo vorher sein Mittagessen stand.

Der Vorstand der Stiftung Alsterdorf entgegnet, das Personal werde individuell eingesetzt: für jeden Bewohner so, wie er es brauche. Alles streng nach Vorgaben der Sozialbehörde.

Stadt und Stiftung werden genauer hinsehen müssen. Schwer behinderten Menschen die intensive Betreuung und die Gemeinschaft zu verwehren, ist keine Inklusion. Es führt sie in die Einsamkeit.  KRISTIANA LUDWIG

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