ERICH RATHFELDER ÜBER DAS ABKOMMEN ZWISCHEN SERBIEN UND KOSOVO: Punktsieg für Brüssel
Eigentlich können sich jetzt alle beteiligten Politiker als Sieger sehen. Brüssel jubelt über einen historischen Durchbruch im Verhältnis Serbiens und Kosovo und stellt beiden Ländern die Integration in die EU in Aussicht. Der serbische Ministerpräsident Dacic sieht sich als Sieger, weil er für die Serben Kosovos viel herausgeholt und dennoch nicht gegen die serbische Staatsdoktrin verstoßen hat. Und Kosovos Ministerpräsident Hashim Thaci erkennt genau das Gegenteil: Serbien habe Kosovo nun politisch anerkannt.
Bei so viel Interpretationsspielraum sind die Konflikte programmiert. Denn das Abkommen muss ja in beiden Ländern nicht nur von den Parlamenten ratifiziert, sondern auch umgesetzt werden. Beide Ministerpräsidenten werden sich anstrengen müssen, die parlamentarischen Hürden zu nehmen. In Serbien steht sogar das nationale Selbstverständnis auf dem Spiel. Denn bisher war es undenkbar, an dem Symbol Kosovo als Wiege der Nation zu rütteln. Das hat bisher noch niemand gewagt, nicht einmal der 2003 ermordete demokratische Ministerpräsident Zoran Djindjic. Morddrohungen, Attentate, Konflikte bis in die Familien hinein sind zu erwarten. Und in Kosovo wird die Opposition auf die bosnischen Erfahrungen mit einer Teilrepublik, der Republika Srpska, warnen. Die Serben Nordkosovos könnten nun legal das durchführen, was sie illegal ohnehin tun: die Weiterentwicklung des Landes zu blockieren. Doch allen Schwierigkeiten zum Trotz ist das Abkommen ein Schritt hin zu einer positiven Entwicklung. Für die EU könnte das Abkommen Signalwirkung haben. Wenn beide Regierungen, die serbische und die kosovarische, für die Integration in die EU ihr eigenes politisches Schicksal aufs Spiel setzen, dann tut das der europäischen Seele gut. So gesehen darf sich Brüssel als Sieger fühlen.
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