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Freiheit des New Hollywood

FILM 40 Jahre später: Charlie Sheen in Roman Coppolas „Charlies Welt“

VON SVEN VON REDEN

Francis Ford Coppola besetzte Mitte der siebziger Jahre Martin Sheen als Hauptdarsteller seines nächsten Films. Das Ergebnis schrieb Filmgeschichte: „Apocalypse Now“. Auf dem Set lernten sich die damals zwölfjährigen Söhne der beiden kennen, Roman Coppola und Charlie Sheen. 40 Jahre später haben sie zusammen einen Film gedreht: „Charlies Welt“.

Die Gegenüberstellung ist natürlich unfair – so, als vergleiche man den Turm zu Babel mit einer Hüpfburg. Aber vielleicht erklärt sich daraus, warum die Kritiken zu Coppola Juniors Film in den USA nicht anders als gehässig beschrieben werden können: Im Verhältnis zu der Vision der Väter wirken die Ambitionen der Söhne etwas mickrig – und sind daher ein leichtes Ziel. Aber die Zeiten sind andere: Auch Papa Coppola backt heute wesentlich bescheidenere Brötchen (und verdient sein Geld mit Weinanbau).

Retro-Chic

Den Vergleich mit den Hochzeiten des New Hollywood fordert „Charlies Welt“ geradezu heraus. Denn der Film über einen Lebemann in der Midlifecrisis spielt in einer nicht genau festlegbaren Fantasiezeit und scheint zu großen Teilen an dem Punkt stehen geblieben zu sein, als sich Coppola und Sheen Jr. mit zwölf das erste Mal begegneten.

Diesen leicht unscharfen Retro-Chic kennt man aus Filmen von Wes Anderson, mit dem Coppola immer wieder zusammenarbeitet, als Produzent („Darjeeling Limited“), Second-Unit-Regisseur („Die Tiefseetaucher“), Drehbuchautor („Moonrise Kingdom“) und sogar Synchronstimme („Der Fantastische Mr. Fox“). Der Anderson-Vergleich liegt auch deshalb nahe, weil die wichtigen Nebenrollen mit Stammdarstellern aus dessen Universum besetzt sind: Jason Schwartzman und Bill Murray. Coppola als Epigonen seines als Regisseur erfolgreicheren Freundes abzutun, wäre aber falsch. Während Andersons Welt am Perfektionswahn droht zu ersticken – genau zentrierte Einstellungen, Plansequenzen, Ausstattungsfetischismus –, atmet „Charlies Welt“ tatsächlich bisweilen etwas von der Freiheit des New Hollywood.

Psychedelik

In den besten Momenten reicht Coppolas zweiter Langfilm an Bob Rafelsons Meisterwerk „Head“ (1968) heran – durchgeknallte Psychedelic. Gleich zu Beginn klappt bei einer Therapiestunde Charlies Kopf auf und enthüllt – in Form einer Terry-Gilliam-artigen Animationssequenz – den Inhalt seiner Gedanken: „70 Prozent Sex und 20 Prozent Geld und Macht“.

Charles Swan III, so sein Name in voller Pracht, lebt als erfolgreicher Grafikdesigner in Los Angeles. Seine sehr kalifornischen Airbrushmotive treffen den Zeitgeist. Als seine 20 Jahre jüngere Freundin mit ihm Schluss macht, taumelt er in eine Lebenskrise. Er glaubt, die große Liebe verloren zu haben. Auch beruflich funktioniert nichts mehr: Selbst für seinen besten Freund Kirby (Jason Schwartzman als jüdischer Countrysänger mit Afro!) fällt ihm kein Motiv für das neue Albumcover ein.

In der Figur des Charles Swan III vermischen sich zwei echte Charlies: zum einen natürlich Hauptdarsteller Charlie Sheen selber, der mit seinen Sex-und-Drogen-Eskapaden die Welt unterhält, zum anderen Charles E. White III, der als Grafikdesigner ab Mitte der 60er Jahre für Aufsehen sorgte: riesige Billboards, auf denen nur ein Bild von ihm (mit beeindruckendem Schnauzbart) und der Schriftzug „CHARLES E. WHITE III RULES THE WORLD“ gedruckt war. In den 70ern prägte er neben Grafikern wie Peter Palombi und Dave Willardson die Airbrush-Ästhetik auf Albumcovern und in der Werbung.

Solche überhippen popkulturellen Anspielungen haben wenig zu tun mit dem eigentlichen Thema des Films: Wie gehen Männer (sehr selbstbezogene Männer) mit einer Trennung um?

Aber man sollte, um die Stärken von „Charlies Welt“ genießen zu können, das trotz aller surrealen Einschübe doch arg konventionelle Grundgerüst der Geschichte möglichst schnell vergessen. Stattdessen kann man sich vom kalifornischen Licht hypnotisieren lassen, das so verführerisch wie schon lange nicht mehr in einem Film eingefangen wurde – Roman Coppola drehte mit alten Zeiss-Superspeed-Objektiven von seinem Vater.

In die semifiktive vergangene Raumzeit eintauchen lässt auch die Musik von Liam Hayes, der statt eines Scores – wie in den 70ern beliebt – hauptsächlich die Songs für „Charlies Welt“ geschrieben hat. Am Ende mag bei diesem jungshaft-spielerischen Insiderwitz kaum mehr herauskommen als die Summe der einzelnen Teile, aber New-Hollywood-Nostalgiker werden sich trotzdem daran erfreuen.

„Charlies Welt“. Regie: Roman Coppola. Mit Bill Murray, Charlie Sheen u. a. USA 2012, 85 Min., ab 2. Mai im Kino

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