: Ein fragwürdiger Test
Der Berufverband der Urologen empfiehlt allen Männern über 40 einmal im Jahr einen Früherkennungstest für Prostatakrebs zu machen. Doch der PSA-Test ist auch unter Fachärzten höchst umstritten, weil er in zwei von drei Fällen falschen Alarm auslöst
VON KLAUS-PETER GÖRLITZER
„Gesundheitsvorsorge muss sein“, mahnt Sepp Maier, „sonst wird aus Scheu vor dem Arzt leicht ein Eigentor.“ Die bayerischeTorwart-Legende macht Werbung für die Kampagne „Männersache“, die der Berufsverband der Deutschen Urologen initiiert hat. Die Ärzte empfehlen allen Männern ab 40, einmal im Jahr einen PSA-Test vornehmen zu lassen.
PSA (Prostata-Spezifisches Antigen) ist ein Eiweiß, das von der Vorsteherdrüse gebildet wird. Ist die PSA-Konzentration im Blut erhöht, kann dies auf Prostatakrebs hinweisen, auch wenn der Betroffene keinerlei Beschwerden hat. „Nur im Frühstadium“ des Krebses sei Heilung möglich, schreiben die Urologen, dann betrage die Chance mindestens 80 Prozent. Die Zahl der Neuerkrankungen schätzt das Robert-Koch-Institut hierzulande auf jährlich 40.000. Über 11.000 Männer sterben pro Jahr an Prostata-Tumoren, meist in hohem Alter.
Der Test kann aber auch falschen Alarm auslösen, und das ziemlich häufig: „Ungefähr zwei von drei Männern mit erhöhtem PSA“, erläutert ein Infoblatt zur „Männersache“-Kampagne, „haben jedoch keinen Prostatakrebs.“ Zudem sei es „möglich, wenn auch sehr selten“, dass die Methode den Tumor nicht erkenne, weil dieser ausnahmsweise gar kein PSA produziere.
Testwillige müssen die PSA-Bestimmung selbst bezahlen. Urologen bieten sie als „individuelle Gesundheitsleistung“ (IGeL) an und können dafür gemäß Gebührenordnung für Ärzte zwischen 25 und 36 Euro in Rechnung stellen. Zwar hat der Bundesrat im Frühjahr 2003 gefordert, der Test solle zur kostenlosen Regelleistung werden. Aber der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, der verbindlich entscheidet, welche Diagnoseverfahren von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden müssen, lehnt die Kostenübernahme ab; er schätzt den möglichen Nutzen der PSA-Bestimmung bisher niedriger ein als ihren potenziellen Schaden.
So sieht es auch Professor Nikolaus Becker vom Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Ein „Wirksamkeitsnachweis“ resümiert der Epidemiologe, sei „bisher nicht erbracht worden“. Ob eine PSA-Reihenuntersuchung unter Männern ohne Krankheitsanzeichen tatsächlich geeignet sei, die Sterblichkeit an Prostatakrebs zu senken, werde seit Anfang der 1990er-Jahre in zwei großen Studien in Europa und den USA untersucht. Einbezogen seien rund 250.000 Männer, mit Ergebnissen sei aber nicht vor 2008 zu rechnen.
Der Wissenschaft sei es bisher nicht gelungen, „klinische irrelevante von klinisch relevanten Diagnosen zu unterscheiden“, schreibt Becker. Das bedeutet: Alarmiert durch einen auffälligen PSA-Wert, können Ärzte zwar Gewebe entnehmen und per Analyse der Probe feststellen, ob ein Tumor vorliegt oder nicht. Wie aggressiv dieser ist, wie langsam oder schnell er wachsen und ob er den Träger überhaupt jemals gefährden wird, all dies könnten auch Experten nicht vorhersagen. Daher bestehe bei vielen Untersuchten die Gefahr der „Überdiagnose“, die wiederum belastende „Übertherapien“ veranlassen könne. Wird die Prostata operativ entfernt, seien gravierende Nebenwirkungen wie Inkontinenz oder Impotenz nicht auszuschließen.
Dass durch die Reihenuntersuchung auch Männer als „Patienten“ diagnostiziert werden, „die möglicherweise keiner Therapie bedürfen“, räumt Professor Manfred Wirth in einer Information zur „Männersache“-Kampagne ein. Eine radikale Entfernung der Prostata erfolge nach Darstellung des Dresdener Urologen aber nur, „wenn eine Lebenserwartung von mindestens zehn Jahren vorliegt“. Wirth legt Wert darauf, dass nur jeder zweite Mann mit Diagnose Prostatakarzinom operiert oder bestrahlt werde. Bei kleinen und wenig aggressiven Tumoren beschränkten sich Mediziner auf eine „aktive Überwachung“ – mittels regelmäßiger PSA-Kontrollen.
Die sind dann auch für Kassenpatienten kostenlos: Zwecks Verlaufskontrolle eines Prostatakarzinoms müssen AOK und Co. nämlich das Ermitteln des PSA-Werts bezahlen. Dies gilt auch, wenn ein konkreter Verdacht auf einen Tumor vorliegt – ausgelöst etwa durch eine Tastuntersuchung der Prostata, die alle männlichen Versicherten ab 45 Jahren gratis in Anspruch nehmen können.
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