piwik no script img

Sender ohne Besitzer

AUSSPÄHEN In Schleswig-Holstein will noch immer keine Sicherheitsbehörde die Verantwortung für das Anbringen eines Peilsenders am Fahrzeug einer antifaschistischen Aktivistin übernehmen

Keiner will den Peilsender angebracht haben, doch wo kommt er her?

Keiner Sicherheitsbehörde in Schleswig Holstein gehört er angeblich und niemand will ihn installiert haben. Dabei hatte Silvie Berg* zwei in Lübeck szenebekannte Zivilpolizisten beobachtet, als sie einen Peilsender in der Tiefgarage des Bürohauses, in dem Berg arbeitet, am 18. April in den Radkasten ihres Autos montiert hatten. Bis heute will für die Ausspähaktion gegen Berg, die in einer antifaschistischen Recherchegruppe aktiv ist, niemand verantwortlich sein. „Kein Kommentar“, sagt Thomas Giebeler, Sprecher des Innenministeriums und für den Verfassungsschutz der taz.

Schon auf Nachfrage von Silvie Bergs Anwälten Britta Eder und Andreas Beuth waren vom Kieler Landeskriminalamt (LKA) und der Landespolizei vor zwei Wochen erklärt worden, dass sie „keine verdeckten Ermittlungsmaßnahmen“ eingeleitet und auch keinen Peilsender installiert hätten. Es gebe kein Ermittlungsverfahren gegen Berg.

Auf Nachfrage der taz bei der Lübecker Polizei und der Lübecker Staatsanwaltschaft ist die Antwort vom Freitag auch nicht ergiebiger: „Durch die Landespolizei wurde kein Peilungsgerät an Fahrzeugen in Lübeck angebracht“, sagte Stefan Muhtz, Sprecher der Lübecker Polizei. Es gebe kein entsprechendes Ermittlungsverfahren.

Der Sprecher der Staatsanwalt Ralf-Peter Anders kannte zwar den Vorwurf aus der taz, will aber ein Schreiben von Bergs Anwälten nicht kennen. „Ich hab kein Schreiben bekommen“ sagt er, obwohl die Anwaltskanzlei auf ein Faxprotokoll verweisen kann.

Das erinnert an eine ähnliche Situation: 2007 hatten Antifaschisten aus Bad Oldesloe an der Stoßstange ihres Autos ebenfalls einen Peilsender entdeckt. Als ihre Rechtsbeistände damals bei allen behördlich Stellen nachfragten, wollte auch keine Behörde die Maßnahme verantworten. Später stellte sich heraus, dass sehr wohl mit dem gesamten Repertoire an nachrichtendienstlichen Mitteln – von Videoobservation, Handy- und Mail-Überwachung bis zum großen Lauschangriff in der Privatwohnung ermittelt wurde.

Der Bundesgerichtshof erklärte später sämtliche Maßnahmen für rechtswidrig. Das hielt das Kieler LKA nicht davon ab, vor dem Amtsgericht Bad Oldesloe auf die Herausgabe des Senders zu klagen, beziehungsweise den Wert des Gerätes ersetzt haben zu wollen. Die Amtsrichterin lehnte das ab. Eine reine Beteuerung, das Gerät gehöre der Polizei – was ja immer bestritten worden war – reiche nun nicht mehr aus – es fehle eine ordentliche Quittung.

MAGDA SCHNEIDER/ANDREAS SPEIT

*Name geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen