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Chinas Kolumbus hatte Plan von Amerika

Eine in China veröffentlichte Kopie einer historischen Weltkarte von 1418 beweist angeblich, dass der chinesische Admiral Zhang He als Erster Amerika entdeckte. Egal ob das stimmt oder nicht, es lässt sich so schön von Pekings Propaganda nutzen

AUS PEKING GEORG BLUME UND JOHANN VOLLMER

Das britische Wirtschaftsmagazin Economist hat „frische und dramatische Beweise“ angekündigt. Es titelt: „China schlug Kolumbus“ und darf dafür vorabdrucken. Nun steht gestern der chinesische Rechtsanwalt und Kunstsammler Liu Gang, ein vornehmer Mann mittleren Alters, in einem kleinen Pekinger Buchladen für Ausländer und präsentiert eine Weltkarte. Der Anwalt will erklären, dass nicht Christoph Kolumbus, sondern der chinesische Admiral Zheng He Amerika schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts entdeckte.

Liu wirkt nervös. Hinter ihm hängt ein brauner Papierbogen im Zeitungsformat. Er habe ihn vor fünf Jahren bei einem Händler in Schanghai erstanden, erzählt Liu. Vermutlich gäbe es noch viele ähnliche Karten. Die Chinesen legten nur keinen Wert auf sie. Er aber habe ihren Wert gefühlt. „Zheng He hat die Welt entdeckt“, ist sich Liu sicher. Der Beweis stecke in dieser Karte.

Sie ist schön anzusehen. Die Umrisse aller fünf Kontinente sind erkennbar. Liu erklärt die Vermerke der Karte: „Die Menschen tragen Federschmuck“, sei für Nordamerika eingetragen. In Australien seien die Menschen nackt bis auf einen Lendenschurz, stände dort. Verfasst wurde alles vom Hofzeichner Mo Yi Tong für den Kaiser Zhu Di der Ming-Dynastie 1763. Doch entscheidend, so Liu, sei ein Vermerk des Verfassers auf der Karte links unten, in dem dieser sein Werk als wahrheitsgemäße Kopie einer Karte von 1418 ausweist.

1418: Da gab es diese Welt in westlichen Augen noch nicht. Erst 1492 entdeckte Kolumbus Amerika, 1497 umrundete Vasco de Gama das Kap der guten Hoffnung, 1770 erreichte James Cook Australien. Waren die Chinesen schon überall vor ihnen da?

Die Theorie ist nicht neu. Admiral Zheng He unterstand 1405 bis 1431 eine Flotte von über 300 Schiffen. Sieben große Expeditionen – in den Pazifik, den Indischen Ozean und den Persischen Golf – sind historisch belegt. Zheng streifte gar die Ostküste Afrikas. Eine Fahrt nach Amerika ist nicht überliefert. Liu glaubt seiner Karte: „Warum sollte der Zeichner den Kaiser anlügen? Darauf stand die Todesstrafe.“

Der Zeitgeist gibt ihm recht. Warum sonst wurde das Buch „1421: Das Jahr, in dem China die Welt entdeckte“ des britischen Hobbyhistorikers Gavin Menzies ein Bestseller? Und beginnt nicht jede Wirtschaftsanalyse über China damit, dass im Osten lange die größte Wirtschaftsmacht regierte. Warum sollte sie nicht auch Amerika entdeckt haben? China kann doch schon wieder alles. Zweifeln daran können nur Experten. Anders als Liu hat Peking längst erkannt, dass es für Zhengs Verklärung zum chinesischen Kolumbus keiner Beweise bedarf. Vielmehr geht es um die Neuerfindung von Tradition, um die Bestimmung Zhengs zum friedlichen Weltentdecker im Gegensatz zu den blutigen europäischen Konquistadoren.

In diesem Propagandakrieg bietet Liu gute Schützenhilfe. Aber der ahnt das nicht. Er ist einfach entzückt von seiner Karte. Ihr Titel „Generaldarstellung der integrierten Welt“.

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