piwik no script img

Der Röbel-Fröbel

In „Ulmens Auftrag“ machen Christian Ulmen und Nora Tschirner Spontanfernsehen zum Totlachen (samstags, 22.30 Uhr, MTV)

VON PEER SCHADER

Wie muss man sich das vorstellen, wenn ein Sender bei Christian Ulmen anruft, weil er ihn zu einer neuen Show überreden will? „Hallo, Herr Ulmen.“ – „Guten Tag.“ – „Wir wollten Ihnen anbieten, mal wieder was für uns zu drehen.“ – „Oh. Tatsächlich? Was muss ich denn tun?“ – „Na ja, eigentlich dasselbe wie immer: fies sein. Und dabei ganz freundlich gucken. Der Rest ist Ihnen überlassen.“ – „Klingt gut. Wann soll’s losgehen?“

Es ist ja nicht so, dass es immer die ausgereiftesten Konzepte wären, mit denen Ulmen im TV zu sehen ist. Vor einem Jahr setzte Pro 7 den 30-Jährigen als „Mein neuer Freund“ erst auf hilflose Kandidaten an und dann nach einer Folge wegen schlechter Quoten gleich wieder ab. Kein Wunder, dass die Zuschauer wegblieben: Es tat richtig weh, wenn man mit ansehen musste, wie Ulmens Opfer die ihnen zugemuteten Blamagen wegsteckten, um nachher 10.000 Euro Belohnung zu kassieren. Im November tauchte „Mein neuer Freund“ nach einem zweiten Versuch bei Pro 7 schließlich als Wiederholung bei MTV auf. Und jetzt macht Ulmen für den Ex-Musiksender wieder eine eigene Show.

Endlich, müsste man sagen, denn „Ulmens Auftrag“, von dem es 2004 schon mal einige Folgen gab, ist so ziemlich das Lustigste, was es seit langem im deutschen Fernsehen gegeben hat. Das wiederum liegt daran, dass Ulmen freie Hand hat, auch unverkleidet das oberlehrerhafte Ekel „Christian Ulmen“ zu spielen, ohne dass nachher ständig einer auf die Quote schielt, hoffentlich. Konzept? Gibt es keins. Und der „Auftrag“? Lautet für Ulmen allenfalls, möglichst gemein zu seinem Sidekick, MTV-Moderatorin Nora Tschirner, zu sein.

Gemeinsam unternehmen die beiden Arbeitsausflüge an die Tankstelle oder versuchen sich aushilfsweise als Schornsteinfeger. Dabei will Ulmen seiner Kollegin was übers Leben beibringen, sagt er, und nennt sie „Noma Tschernau“ oder „die ostdeutsche Göre“ und macht sich immerzu über ihre Pankower Herkunft lustig.

Als den beiden beim Ausflug in den Wald eine Frau mit zwei Hunden entgegenkommt, ruft Ulmen aus der Ferne: „Sind das Rüden? Ich hab hier nämlich ein Weibchen. Dass die sich mal nichts tun.“ Schwer erkältet nörgelt er Nora als Zapfsäulenaushilfe an: „Kompetenz ausstrahlen! Blickkontakt! Zeig, dass du was kannst!“ Und im Kreuzberger Imbiss „Curry 36“, wo die Würstchen-Frauen Moni, Melli und Vera heißen und ihre Namen immerzu mit langem Endvokal rufen, kreischt Ulmen die ganze Zeit nach „Noraaaaaaaa“ und belästigt nebenbei recht effektiv die Gäste.

Tschirner wiederum erträgt die Widerwärtigkeiten ihres „Mentors“ mit einer faszinierenden Gelassenheit, stichelt ab und an zurück oder lacht manchmal einfach laut los. Dazwischen kommt es zu allerlei absurden Spontandialogen mit Werkstattleitern, die mal einen „18er-Röbel-Fröbel mit Schnörkranz“ besorgen sollen, oder mit asiatischen Jugendherbergsgästen, denen Ulmen in miserablem Englisch erklärt, der Frühstückssaal sei geschlossen, weil ein paar „American bitches“ das ganze Essen für ihren Ausflug eingepackt hätten. Auch Ulmens Arbeitgeber wird mit ein paar zynischen Bemerkungen über die „McBobbys“ und die „Sluggy McGuys and the Fireshakers“ abgefertigt, die seiner Meinung nach die ganze Zeit auf MTV laufen.

Trotz aller Gemeinheiten ist Ulmen dabei nie so niveaulos-plump wie die Oli Pochers dieser Welt mit ihren billigen Zoten. „Ulmens Auftrag“ ist sicher nicht jedermanns Sache, aber bei MTV gut aufgehoben, zumal sich wohl kaum ein anderer Sender trauen würde, einfach so 22 Minuten Sendezeit zu verschenken. Ulmen könnte zwar locker auch größere Formate wuppen, wenn dafür nicht zu viele Kompromisse notwendig wären. Das hat sich aber noch nicht rumgesprochen. (Oder er hat keine Lust.)

Letztes Jahr wurde Ulmen beim deutschen Fernsehpreis noch mit einer Nominierung für „Mein neuer Freund“ abgespeist. Dieses Jahr wird es sich die Jury nicht so einfach machen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen