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der rechte randMit Rechten eng verbunden

Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.

In diesem Jahr versuchte die „Hamburger Burschenschaft Germania“ wieder einmal, die Ausrufung des deutschen Kaiserreichs am 18. Januar 1871 zu feiern. Als Festredner eingeladen war Reinhard Günzel, Brigadegeneral a.D., der vor drei Jahren aus der Bundeswehr entlassen worden war, weil er dem CDU-Abgeordneten Martin Hohmann zu dessen als antisemitisch kritisierten Rede gratuliert hatte. Doch der Reichsgründungs-Festakt – in Burschenschaftskreisen „Kommers“ genannt – am Samstag fiel kurzfristig aus. Den neuen Termin kann man per email oder per Telefon bei der Germania erfragen.

Ein Grund wird auf der Homepage nicht genannt. Wahrscheinlich wollten sich die Burschenschaftler die geplante Demonstration Hamburger Studierender ersparen. Seit langem protestieren linke Gruppen gegen Männerbündelei und Deutschtümelei der schlagenden Verbindungen, deren rechtsextreme, antisemitische und revanchistische Gesinnung häufig offen zutage tritt. Auch die Germania ist mit der neonazistischen Szene eng verwoben. Die Germanen selbst haben einmal erklärt: „Bist Du hässlich oder fremd im Lande, bist Du von linksliberaler Gesinnung gepeinigt oder hast eine Freundin, die weder schön noch still ist, dann bleib lieber zu Hause“.

Bis April 2004 wohnte beispielsweise auch Sascha Keller, Betreiber des neonazistischen „Nordic-Hammer-Versands“, bei der Germania, schreibt Felix Krebs, Koautor des Buches „… und er muss deutsch sein“ über Hamburger Studentenverbindungen. Als Krebs die NPD anschrieb, um zu erfahren, an welche Studentenverbindung sich im „roten Hamburg“ ein „Nationaler“ wenden könnte – da meldete sich Krebs zufolge gleich die Germania.

Die Verbindung ist wiederum einer von 130 Mitgliedsverbänden im Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB), der sich dadurch hervortut, dass er die „Rückgewinnung der Ostgebiete“ fordert und Frauen systematisch abwertet. Im vergangenen Jahr sprach sich die DB außerdem gegen „NPD-Sondergesetze“ aus, die NPD Aufmärsche erschweren könnten. Und in der sächsischen NPD-Landtagsfraktionen sitzen drei „Alte Herren“ der Burschenschaft Dresdensia-Rugia“.

Tatsachen, die im November die große Mehrheit des Bundesparteitags der SPD davon überzeugten, für einen Unvereinbarkeitsbeschluss zu stimmen. Danach sollte, wer der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) angehört, aus der SPD ausgeschlossen werden – wegen völkisch-nationaler Orientierung und extrem-rechten Kontakten.

Doch kaum war der Antrag beschlossen, zogen SPD-Burschenschaftler gegen den Beschluss zu Felde, darunter der Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. Wegen der Proteste wurde der Beschluss am vergangenen Montag vom Parteivorstand gekippt. Nun soll in der SPD „bei Bedarf“ eine Einzelprüfung möglich sein.

„Fatal“, meint Björn Böhning, Bundesvorsitzender der Jusos. Die Partei drücke sich vor einer „offensiven Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen“, sagt Juso-Mann Böhning. Nun fragen die Jusos, wie groß der Einfluss der „Alten Herren“ – der ehemaligen Burschenschaftler – in der Partei ist. „Das Lebensbundprinzip der studentischen Verbindung“, sagt Buchautor Krebs, „haben die Älteren Herren über die Parteisolidarität gestellt“.

In Hamburg dürfen „geladene Gäste“ Günzel bereits am 25. Januar hören. Die „Katholische Deutsche Studentenverbindung Wiking“ hat den ehemaligen Bundeswehroffizier zum „Politischen Jahrestreffen“ im Hotel „Europäischer Hof Hamburg“ eingeladen.

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