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Vom Reiz des Findens

Ein Gespräch mit dem ersten „Bremer Debütanten“, dem Objektkünstler und Schriftsteller Rainer Nehms, über den Kontakt zum Publikum, die Kritik am rechten Winkel und die Herausforderung der mehrfachen Begabung

taz: Ein Aspekt des neu ausgelobten „Bremer Debüts“ ist der Kontakt mit dem Publikum, den der Preisträger während der „Literarischen Woche“ etablieren soll. Gestern standen Sie zum ersten Mal zwei Stunden in der Ausstellung Ihrer Werke in der Zentralbibliothek – wie war denn die Kontaktaufnahme?

Rainer Nehms: Am Freitag war erst einmal die Lesung, die sehr gut besucht war. Das war für mich als No-Name-Mensch schon einmal ziemlich erstaunlich. Und gestern hatte ich zwei sehr interessante Gespräche.

taz: Wodurch interessant?

Nehms: Eine Dame konnte angesichts meiner Arbeit „Jahrestage“ gar nicht glauben, dass ich wirklich jeden Tag eine Collage gemacht habe. Das andere war ein etwas verrückter Franzose, der sehr interessante Fragen gestellt hat, warum der rechte Winkel in meinen Arbeiten so vorherrscht. Eine interessante Frage – ich habe mich gestern Abend noch hingesetzt und noch zwei Seiten darüber geschrieben.

taz: War der Franzose vielleicht Antroposoph?

Nehms: Ich weiß es nicht. Aber ich würde ihn auf jeden Fall gern wiedersehen. Er hat so viel in Frage gestellt – innerhalb von zehn Minuten haben wir einen Zug durch die gesamte Kunstgeschichte gemacht.

taz: Die Arbeit „Jahrestage“, die Sie vorhin angesprochen haben, verweist sehr deutlich auf den gleichnamigen Roman Uwe Johnsons. Ist sie ein unmittelbares Lektüre-Ergebnis?

Nehms: Die Idee hatte ich schon 1988 und es gibt ein kurzes Skript dazu, wie ich es mir vorgestellt habe. Aber ich war damals als selbständiger Handwerker tätig und bin einfach nicht dazu gekommen. Später, als ich die Arbeit begonnen habe, bin ich zu Beginn sehr streng vorgegangen: Wenn ich nach Barcelona geflogen bin, dann kam auch ein Stück der Schokolade aus dem Flugzeug in das Kästchen. Später habe ich dann viel freier mit Fundstücken gearbeitet.

taz: Fundstücke tauchen in Ihrer Arbeit geradezu leitmotivisch auf.

Nehms: Alles, was mir interessant erscheint, hebe ich auf und stecke es in die Manteltasche. Die müssen nicht alles zwingend verarbeitet werden – aber es kann sein.

taz: Sind diese Fundstücke ein Teil Ihrer Beschäftigung mit dem Thema Heimat?

Nehms: Vielleicht findet die Verortung gerade dadurch statt, dass ich einen Gegenstand nicht liegen lasse, sondern aufhebe. In diesem Moment passiert ja auch mit dem Ort etwas. Als zum Beispiel an der Langemarckstraße gebaut wurde, war sie eine reine Fundgrube. Da lag einfach immer etwas.

taz: Was an Ihrer Arbeit auffällt, ist die Freude am Material. Hängt das mit Ihrer Beziehung zum Handwerk zusammen – die man Ihre Doppelbegabung, getreu dem Motto der literarischen Woche nennen könnte?

Nehms: Die Freude gibt es unbedingt. Aber mit dem Begriff Doppelbegabung habe ich meine Schwierigkeiten. Am liebsten wäre es mir, es würde nicht weiter berührt. Ein Künstler wie Günter Grass ist dreifach, vierfach, fünffach begabt und mich da auf eine Stufe zu stellen, finde ich sehr unangemessen. Aber das Motto meiner Ausstellung „Bilder ziehen Worte – Worte ziehen Bilder“ kann ich insofern für mich in Anspruch nehmen, als ich seit einem Jahr sehr intensiv mit der Objektkunst und dem Schreiben beschäftige und festgestellt habe, dass es eine gegenseitige Befruchtung gibt – die ich nicht genau erläutern kann. Aber ich weiß, dass eines das andere intensiviert.

Interview: grä

Rainer Nehms ist am 26., 31.1 und 2.2. jeweils von 16-18 Uhr und am 28.1. und 4.2. von 12-14 Uhr in seiner Ausstellung in der Zentralbibliothek anwesend

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