: Arbeit, zu welchem Lohn auch immer
Schlechter Verdienst, weniger Arbeitslosengeld – mit seinem Kombilohn-Modell will das Ifo-Institut Jobs schaffen
BERLIN taz ■ Damit mehr Stellen entstehen, sollen Löhne und Arbeitslosengeld sinken. Um die Beschäftigten trotz Arbeit nicht verhungern zu lassen, schlägt das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung die Einführung eines neuen Kombilohns vor. Das Konzept unter dem Stichwort „aktivierende Sozialhilfe“ präsentierte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn gestern in Berlin. Es ist gedacht als Beitrag zur aktuellen Diskussion innerhalb der großen Koalition über den Kombilohn.
Sinns Theorie sieht so aus: Vor dem Hintergrund der Billiglohn-Konkurrenz aus Osteuropa sind in Deutschland die Gehälter von gering qualifizierten Beschäftigten um etwa ein Drittel zu hoch. Das liege an dem zu großzügig bemessenen Arbeitslosengeld II, das wie ein Mindestlohn wirke. Weil die Erwerbslosen es nicht nötig hätten, eine Stelle unter ALG-II-Niveau zu akzeptieren, würden die Firmen Billigjobs erst gar nicht anbieten, sondern durch Maschinen ersetzen. Die Folge: Massenarbeitslosigkeit.
Sinn ist deshalb davon überzeugt, dass das Arbeitslosengeld II reduziert werden muss – um bis zu 460 Euro. Dadurch würden Arbeitslose gezwungen, schlechter bezahlte Tätigkeiten anzunehmen. „Der Lohn soll dauerhaft sinken, das ist der Sinn“, sagte der Ifo-Ökonom. Damit es den Niedriglöhnern aber nicht am Nötigsten fehlt, soll der Staat ihren Verdienst großzügiger aufstocken als heute.
Bis zu 3 Millionen Menschen, die heute arbeitslos sind, würden diesen Kombilohn aus selbst erarbeitetem Verdienst und staatlichem Zuschuss erhalten. Wer keine Stelle in der Privatwirtschaft findet, dem muss die Kommune eine öffentliche Arbeit zu den Bedingungen des heutigen ALG II anbieten. Nach den Berechnungen des Ifo-Instituts soll das neue System langfristig um 20 Milliarden Euro pro Jahr billiger sein als Hartz IV.
Das Institut orientiert sich mit seiner „aktivierenden Sozialhilfe“ an der so genannten negativen Einkommenssteuer, die in den USA und Großbritannien praktiziert wird. Dort habe dieses Modell dazu beigetragen, Millionen Erwerbsloser in die Wirtschaft zu integrieren, erklärte Sinn.
Der Ifo-Chef hatte ein ähnliches Modell bereits 2002 vorgestellt. Da die damals geforderte Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe inzwischen realisiert worden sei, haben sich laut Sinn die Chancen für die Verwirklichung seines Modells verbessert. Von den seit 2002 unternommenen Kombilohn-Versuchen etwa in Rheinland-Pfalz grenzt sich Sinn ab. Wegen Konstruktionsfehlern hätten diese Modelle gar nicht funktionieren können.
Um das Kombilohn-Modell steht es freilich nicht so gut, wie Sinn meint. Nach den Hartz-IV-Protesten haben weder Union noch SPD ein Interesse daran, die Arbeitslosenunterstützung weiter radikal zu senken.
HANNES KOCH
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