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Daniél Kretschmar schaut sich gewissermaßen in den Galerien von Berlin um

Unterdurchschnittliche Farbwahrnehmung und eingeschränkte 3D-Sicht sind nicht die allerbesten Voraussetzungen, um einen genuinen Kippenberger von einer kaputten Kaffeemaschine sicher unterscheiden zu können. Andererseits stehen auch funktionale Analphabeten als Literaturkritiker in Lohn und Brot (vgl. die Causa Hegemann). Es ist also an der Zeit, den Geist wirklich weit zu öffnen und ihn ins sprichwörtliche kalte Wasser zu werfen. Das Wasser ist im Falle dieses Experimentes Bier (ja, doch: kalt), und zwar ein umweltbewusst produziertes, gereicht in der Gastwirtschaft „Tante Horst“ (Oranienstr. 45, Di.–So. ab 12 Uhr) in Kreuzberg. Dort bin ich mit einem freundlichen jungen Aktivisten der Rebel- und Street-Art-Kreise dieser Stadt verabredet (nennen wir ihn SID, was auch ganz hübsch als Akronym des Projektnamens Shine In Decay durchgeht), dessen Kunst in farbigen Drucken auf Metall an den Wänden ringsum dokumentiert ist. SID mag verlassene Räume; der Charme vor sich hin rottender Schauplätze vergangener und vergehender Urbanität hat es ihm angetan. Kleine L.E.D.-Lämpchen, mit Batterie, Magneten und Gaffatape, in wenigen Handgriffen zu haftenden Wurfgeschossen umfunktioniert, sind seine, nun ja, Pinsel, mit denen er metallischen Strukturen ungeahnten Glamour verleiht. Die mehr oder weniger zufälligen Pattern der Lämpchen geben den gewählten Objekten Leben und Glanz, mehr noch vielleicht, als sie in Zeiten regen Betriebes je hätten haben können.

Der unmittelbaren gestalterischen Aneignung ihrer Umwelt durch z. B. Sprayer fügt SID noch ein vergängliches Element hinzu: Die Lebensdauer der Batterien bestimmt die Lebensdauer des Werkes. Die eher begrenzte kommerzielle Verwertbarkeit der Produkte dieser und anderer Streetart-Techniken ist natürlich ein Statement. Dazu passt auch die gewollte Unmöglichkeit, die Schöpfer der Werke eindeutig zu identifizieren. Eine Erweiterung dieses Konzeptes ist die öffentliche Verteilung der kleinen Leuchtbausätze („Throwies“) – Do-it-yourself-Glamour. Wenn das mal nicht sympathisch ist …

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