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Asteroid von links und ein Erdbeben in Legoland

WISSENSCHAFT In der „Klügsten Nacht des Jahres“ wurden Häuser zum Einsturz und Zeppeline ferngesteuert zum Fliegen gebracht

Die „Lange Nacht der Wissenschaften“ war bisher so erfolgreich, dass es – „Me too!“ – nun auch alle möglichen anderen „langen Nächte“ gibt. Die lange Nächte der Kirchen, der Industrie, der Familie, der Weiterbildung, der Kulinarik und so weiter. Das hat die Organisatoren bewogen, bei der achten Ausgabe, an der 75 Wissenschaftseinrichtungen in Berlin und Potsdam teilnahmen, von „Der klügsten Nacht des Jahres“ zu reden. Man wird ja wirklich klüger, wenn einem auf über 1.000 Veranstaltungen die Forscher geduldig ihr jeweiliges Fachgebiet erklären und dazu jede Menge Hightech-Geräte auffahren, um die Sache noch spannender zu machen.

Die Mitarbeiter von einem der Leibniz-Institute auf dem Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof führten etwa vor, wie man aus Lösungen Kristalle züchtet. Die Kristallzüchter arbeiten dort unter anderem mit Silizium, was für die ebenfalls auf dem Gelände ansässigen Solarfirmen wichtig ist, von denen einige jedoch schon wieder pleite gegangen sind, weil die Chinesen billigere Solarmodule produzieren.

In Adlershof ist auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt domiziliert, in dem man die ost- und westdeutschen „Enkel der Peenemünder“ zusammenführte. Sie beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit „Energie und Verkehr“, wozu auch die Stauforschung gehört. Daneben kartografieren sie den Mars, denn sie bauten zusammen mit Zeiss Jena eine Kamera für den Mars-Express, der den Planeten 2003 mit einer russischen Sojus-Rakete erreichte. Zudem befassen sich die Wissenschaftler mit Asteroiden-Prävention und bereiten sich auf eine Mond-Mission vor, denn „der Mond ist schlechter als der Mars erfasst“. Zur „klügsten Nacht des Jahres“ hatten sie einen „3-D-Flug über den Roten Planeten“ in ihrem Veranstaltungsangebot.

Vor dem Ferdinand-Braun-Institut, das zu seinen Mikrowellenbauelementen Reinraumführungen veranstaltete, kam es zu Warteschlangen. Ein Mann meinte zu seiner Frau gehässig: „Gleich siehste mal, wie ein Reinraum wirklich aussieht!“ Auch auf dem Campus der TU im Wedding, auf dem Gelände der AEG, gab es einen Reinraum (des Fraunhofer Instituts) zu besichtigen, wir entschieden uns dort jedoch für den Crashtest im „Haus der KFZ-Technik“ nebenan, wo ein Opel Vectra mit 35 km/h und lautem Knall gegen einen Betonpoller gedonnert wurde – und anschließend Schrott war. Das Publikum bedankte sich mit heftigem Applaus für diese Show, die einen Hauch von römischem Gladiatorenkampf vermittelte.

In der großen Peter-Behrens-Halle auf dem Gelände hatten sich die Bauingenieure zur Freude der Kinder allerhand Basteleien mit verschiedenen Materialien, darunter Nudeln und Legosteine, ausgedacht. Mit den Legohochhäusern wurden dann Erdbebentests angestellt.

Uns interessierte hier vor allem die Leistungsschau der Luftschiffbauer, die ihre zwei Meter großen Zeppeline aus Silberfolie ferngesteuert durch die Halle fliegen ließen. Ihnen geht es ansonsten ähnlich wie den Solarzellen-Konstrukteuren in Adlershof: Das Helium ist so teuer geworden, wegen des erhöhten Bedarfs der US-Militärs, dass viele zivile Luftschiff-Projekte erst einmal auf Eis gelegt wurden. Das tat jedoch dem Spaß der Konstrukteure an ihren fliegenden Modellen, die im Wettbewerb an den Start gingen, keinen Abbruch. Im Gegenteil: Sie feierten noch bis zum nächsten Morgen draußen auf dem Hof, wo in einem Kubus Gegrilltes verkauft wurde und die Berliner Wasserwerke ihr kostbares „Produkt“ in Plastikbechern ausschenkten. Dazu konnte man sich bei den Bauingenieuren in der Halle über „Wasserqualität und Wasseraufbereitung“ aufklären lassen. HELMUT HÖGE

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