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Urabstimmung ersetzt kein ProgrammKommentar von Klaus Jansen

Wer gehen will, der soll halt gehen. So lautet die Botschaft, die sich die Spitzen von WASG und Linkspartei.PDS für die renitenten Landesverbände ausgedacht haben, die sich partout nicht mit einer Fusion der beiden Parteien abfinden möchten. Damit wird das umgesetzt, was seit dem gemeinsamen Antreten zur Bundestagswahl unausweichlich war: Die Pragmatiker aus beiden Parteien schließen sich zusammen, der kleinste gemeinsame Nenner bestimmt das Programm.

Dass die WASG nun eine Urabstimmung unter ihren Mitgliedern anstrebt, zeigt, wie ernst sie die paar hundert Parteirebellen nimmt. Das Gezänk gefährdet ernsthaft das Projekt, bei den anstehenden Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erstmalig in einen westdeutschen Landtag einzuziehen. Eine Abstimmung ist derzeit der demokratischste Weg, um die Kritiker an den Rand zu drängen – jedenfalls demokratischer als Oskar Lafontaines krude Argumentation, der „Wille des Volkes“ habe das Zusammengehen längst befohlen.

Doch nur ein Teil der Fusionsgegner wird sich einem demokratischen Votum der Basis beugen. Einige Enttäuschte werden die WASG mit Sicherheit in den kommenden Monaten verlassen – und ihre Mailverteiler werden weiter von Verschwörungstheorien überschwemmt werden, die von Unterwanderung durch alte SED-Kader und diktatorischen Vorständen künden. Vielleicht werden sich auch Splittergruppen verselbstständigen und eigene Parteien aufmachen. Na und?

Für Linkspartei und WASG muss das kein Verlust sein. Die Rebellen sind bisher nämlich nicht gerade mit konstruktiven Programmvorschlägen aufgefallen. Wer hofft, dass die Abweichler das Linksbündnis bunter machen, irrt. Was wirklich nötig wäre, ist eine Erweiterung des Themenspektrums: Viel mehr als „Weg mit Hartz IV“ und „Bundeswehr raus aus Afghanistan“ ist den Partnern zuletzt nicht eingefallen. Auch Lafontaines jüngste Überlegungen zur „neuen Regulierung“ in Wirtschaft und sozialer Sicherung gehen nicht über Defensivpositionen hinaus. Es ist deshalb wichtig, den internen Streit zu erledigen: Erst dann bleibt auch dem Spitzenkandidaten Zeit, sich etwas wirklich Neues auszudenken.

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