piwik no script img

Komm, wir bauen uns ein Portemonnaie

Denken, Kochen, Basteln: Mehr will das neue Gesellschaftsminimagazin Facette nicht – und hebt sich so angenehm ab

Schon wieder ein neues Magazin: diesmal die Facette, das Themenheft aus der Wühlischstraße. Hach je, denkt man erst, hört denn diese Segmentierung auf dem Zeitschriftenmarkt niemals auf? Was denken sich diese Gründungseuphoriker eigentlich? Gibt es nicht schon genug arbeitslose Journalisten, die angesichts schlecht frisierter Arbeitsagentur-Sachbearbeiter oder weil gerade die begüterte Omi gestorben ist, irgendwann eine Zeitschrift gründeten? Wer soll das bloß alles lesen?

Andererseits sehen die drei Punker auf dem Titel wirklich zu niedlich aus; eine Pressemitteilung behauptet außerdem, die Zeitschrift sei gar kein „selbst gebautes Praktikum“. Also schlägt man sie doch mal auf, diese neue Facette der überfüllten Kiosk-Auslagen. Eigentlich ist sie ja auch nur ein Magazinchen, in ihrem handlichen DIN-A5-Format, zudem nur an wenigen großstädtischen Kiosken und im Internet zu beziehen.

Die Macher sind keine Profijournalisten, sondern drei Studenten Anfang zwanzig. Onno Berger, Philip Jaeger und Christoph Schmaus dachten sich im Sommersemester 2004 während einer Logik-Vorlesung an der Humboldt-Uni ein Magazinkonzept aus. Dann riefen sie ein paar befreundete Grafiker, Fotografen und Comiczeichner an, brachten sich auf die Schnelle den Journalismus bei und veröffentlichten erst mal vier Ausgaben Facette – aus Kostengründen erst nur im Internet. Die erste Printausgabe ihres monothematischen Magazins schrieben sie zu drei Vierteln selbst voll. Da sich die Facette neben den Anzeigen vor allem über den Verkauf trägt und die drei Gründer ihr Projekt selbst vorfinanzieren mussten, hoffen sie nun, dass bald wenigstens wieder eine Null unterm Strich steht.

Im ersten Heft, das am 11. Januar erschien, dreht sich alles um jenes Thema, an das man als Zeitschriftengründer halt am meisten denkt: Geld. Naturgemäß hat keiner der rund 25 freien Mitarbeiter, die sich für das Heft mit dem Thema befassten, für seine Arbeit welches gesehen. Trotzdem sind viele hübsche Beiträge entstanden, zum Beispiel eine Fotostrecke mit Bildern von Moos. Außerdem gibt es ein Interview mit Ulla Schmidt („Was kostet Gesundheit?“), eins mit Tim Renner („Was kostet Musik?“) und eins mit Sarah Wiener („Was kostet Essen?“). Dazu Texte über Studiengebühren, Banküberfälle oder den Kapitalismus im Allgemeinen.

Als Themenheft und wegen der Bandbreite unterschiedlicher Text- und Bildformen erinnert das Heft ein wenig an Dummy. Wie aus der Facette-Redaktion zu hören ist, wirkte dieses neuere Gesellschaftsmagazin tatsächlich maßstabsetzend, auch wenn man mit solch einer Profi-Gazette bescheidenerweise gar nicht konkurrieren können will. Wie Dummy soll jedenfalls auch die Facette vierteljährlich erscheinen. In der nächsten Ausgabe, die Anfang April herauskommt, wird sich alles um die Liebe drehen.

Da die wichtigste Handlungsmaxime in der Wühlischstraße genau wie der Untertitel der Facette „Denken. Kochen. Basteln“ lautet, gibt es im aktuellen Geld-Heft nicht nur Futter fürs Köpfchen, sondern auch für zwischen die Zähne – ein Rezept für Arme Ritter. Und ganz hinten im Heft ist eine Bastelecke eingerichtet – diesmal mit Anleitung für ein Papier-Portemonnaie, genormt auf deutsche Personalausweisgröße. Durch solche hübschen Gimmick-Ecken und einen weiten, alltagsnahen Kulturbegriff hebt sich die Facette aufs Angenehmste von manchem routinierter entwickelten Magazin ab. „Mit dem Kochen soll die Leidenschaft ins Heft, mit dem Basteln ein Handlungsimpuls. Man kann schließlich viel reden und denken, genauso gut aber auch mal was tun“, sagt Onno Berger. Stimmt eigentlich. Wer also was machen will, kann ja zur Releaseparty gehen. BRIGITTE PREISSLER

Releaseparty am 10. Februar ab 23 Uhr im Senatsreservenspeicher, Cuvrystraße 3–4, www.diefacette.net

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen