OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Mit seiner Veranstaltungsreihe Cinemarock ist Andreas Döhler einmal mehr beim Punk angekommen. In der Dokumentation „Who Killed Nancy?“ geht der Musikjournalist Alan Parker (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Regisseur) der wohl gruseligsten Geschichte der Punkära nach, nämlich dem Tod von Nancy Spungen, die im Oktober 1978 erstochen im New Yorker Chelsea Hotel aufgefunden wurde. Unter Mordverdacht verhaftet wurde ihr Freund Sid Vicious, als Exbassist der Sex Pistols damals einer der berühmtesten Punks der Welt und dank seines (selbst-)zerstörerischen Naturells seit langem der „Star“ aller Boulevardmedien. Als Vicious knapp dreieinhalb Monate später an einer Überdosis Heroin verstarb, wurde der nicht geklärte Fall einfach zu den Akten gelegt. Vicious-Biograf Parker hat nun noch einmal penibel recherchiert, mit Freunden und Bekannten des notorischen Pärchens gesprochen und mag nicht so recht an Sids Schuld glauben. (OF, 26. 2. Hackesche Höfe, 1./2. 3. White Trash)
Während der furchtbar untalentierte Sid musikalisch ja nie irgendwelche Glanzlichter setzen konnte, sah das mit den Ramones schon ganz anders aus: Die New Yorker Punkrockpioniere stehen im Mittelpunkt eines Doppelprogramms mit „Rock ’n’ Roll High School“ und „End of the Century – The Story of the Ramones“ und erfreuen – zumindest mich – stets aufs Neue mit ihrem ebenso rasanten wie melodiösen Trashrock und den ironischen Texten ihrer Songs. Während „Rock ’n’ Roll High School“ die Band in die Geschichte eines rebellischen Teenagers (P. J. Soles) integriert und sie dabei dümmer aussehen lässt, als sie waren, rollen Michael Gramaglia und Jim Fields in der Doku „End of the Century: The Story of The Ramones“ ohne falsche Ehrfurcht die Geschichte der einstigen Stooges-Fans auf: von den ersten Konzerten im CBGB’s bis zum Rockgottstatus, den die Band zuletzt in Südamerika besaß. Dass die Ramones, die angetreten waren, um sich nicht vom Mainstream vereinnahmen zu lassen, schließlich doch noch zu einer Rockmaschine wurden, die durch alle Welt tourte, obwohl sich die Musiker längst bitter zerstritten hatten, ist eine traurige Ironie der Geschichte. (25. 2. White Trash)
Auch 36 Jahre nach seiner Entstehung bleibt der Low-Budget-Splatterklassiker „The Texas Chain Saw Massacre“ ein Film, bei dessen Betrachtung man sich ausgesprochen unbehaglich fühlt. Dabei fragt man sich, warum eigentlich: Tobe Hooper ist ein ausgesprochen lausiger Regisseur, und natürlich gibt es längst Horrorfilme, die Gewalt noch viel grafischer aufbereiten, als diese Geschichte über eine Gruppe von jungen Leuten, die in der Provinz einem irren Schlachter und seiner Familie in die Hände fallen. Doch die Mischung aus Trashästhetik, unbeholfener Regie und dem Gefühl, der Gewalt hilflos ausgeliefert zu sein, sorgt weiterhin für unguten Schauder. Vielleicht kommt man dem Geheimnis des Films noch näher, wenn Horrorfilmexperte Jörg Buttgereit nach der Vorstellung mit dem „Massacre“-Kameramann Daniel Pearl spricht. (OF, 28. 2. White Trash) LARS PENNING
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