: Leuchtend und unantastbar
Tausend allein verbrachte Nächte und doch kein Verlierer: Der Dokfilm „Leonard Cohen I’m Your Man“ (Panorama)
Jedes Mal, wenn man Leonard Cohen in einem Film erlebt, ist man aufs Neue überrascht, wie gut dieser Mann aussieht, wie wenig man ihm sein Alter und die über vierzig Jahre im Musikbusiness ansieht. Noch beeindruckender ist, wie Cohen leuchtet, sozusagen von innen heraus. Das mag an seiner Hinwendung zum Zen-Buddhismus liegen. Oder an seinem Wissen, dass die ständige Suche nach Liebe und die vielen allein verbrachten Nächte kein Widerspruch sein müssen. Das liegt vielleicht auch ganz profan darin begründet, dass er als Poet und Popmusiker doch mehr auf Gewinner- als auf Verliererstraßen herumdriftete.
Damit verbunden ist eine ständige wachsende Verehrung seitens seiner Kollegen, die zuletzt vor Jahresfrist bei einem von dem Produzenten Hal Willner organisierten Tributkonzert in Sydney zum Ausdruck kam. Mit dabei amerikanische Folk-und Neofolkmusiker wie die McGarrigle-Schwestern, Rufus und Martha Wainwright, Beth Orton oder The Handsome Family, der Cohen-Adept Nick Cave oder der Britpopmusiker Jarvis Cocker. Ebenfalls dabei: die Filmemacherin Lian Lunson, die das Konzert aufnahm und mit einem Cohen-Interview und persönlichen Fotografien zu einem gut hundertminütigen Film kompilierte: „Leonard Cohen I’m Your Man“.
Dieser erlaubt nun keinen andersartigen Blick auf Leben und Werk, sondern klappert die Lebensstationen von Cohen ab, eine Jugend in Montreal, erste poetischen Gehversuche, der Wechsel nach New York und ins Chelsea Hotel, die Geschichte mit dem Buddhismus. Tatsächlich ein intensives Erlebnis sind die Interpretationen der Cohen-Songs durch jüngere Kollegen, insbesondere und ganz groß Beth Orton mit „Sisters Of Mercy“, ihr Duett mit Jarvis Cocker sowie die beiden Stücke, die Rufus Wrainwright singt, „Everybody Knows“ und „Halleluja“.
In Anbetracht dieser popmusikalischen Großtaten erträgt man auch den notorischen Bono, der von Lunson interviewt in üblich ekliger Manier von der Größe Cohens schwärmt, ihn gar mit Shelley und Keats vergleicht. Man erträgt Bono (und U2) auch als Musiker und Backgroundsänger bei einer extra für diesen Film performten Version von „Tower of Song“ in einem kleinen New Yorker Club – wie Cohen hier singt, dass er mit einer goldenen Stimme geboren wurde und nicht anders kann, wie er dazu mit seiner leuchtenden Unantastbarkeit ein paar Tanzschritte mehr andeutet als ausführt, das hat was, das hat Größe, da ist ein Bono ein kleiner Matz gegen, und das begleitet einen noch lange nach dem Sehen dieses Films durch den Alltag.
Gerrit Bartels
„Leonard Cohen I’m Your Man“. USA 2005, 105 Min. 12. 2. Babylon, 20 Uhr 14. 2. International, 17 Uhr 16. 2. Cinestar, 16 Uhr 18. 2. Colosseum 1, 15.30 Uhr
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