piwik no script img

Wut über „Hass auf Muslime“

Tausende Muslime haben am Wochenende bundesweit gegen die Mohammed-Karikaturen demonstriert. Alles blieb friedlich

AUS BERLIN UND DÜSSELDORF FELIX LEE & NATALIE WIESMANN

Entspannte Polizistengesichter vor dem dänischen Honorarkonsulat in Düsseldorf – dabei soll es so viel Wut wegen der Beleidigung des Propheten geben. Dreimal mehr Demonstranten als ursprünglich erwartet waren gekommen. Einige von ihnen schwenkten Hamas-Flaggen. Doch die Ordnungskräfte blieben gelassen. Der Grund: Der Anmelder hatte selbst hunderte Ordnern rekrutiert, die eine Kette um die etwa 2.500 Demonstranten herum bildeten und jeden zurückscheuchten, der aus der Reihe zu tanzen wagte.

Begleitet von starken Polizeiaufgeboten, haben am Samstag in Düsseldorf, Berlin, Bonn, Leer und Osnabrück mehrere tausend Muslime gegen die in einer dänischen Zeitung veröffentlichten Mohammed-Karikaturen demonstriert. Der Protest verlief friedlich, weil vor allem die Organisatoren dafür sorgten, dass es trotz der Wut vieler Teilnehmer nicht zu Ausschreitungen kam.

In Düsseldorf richtete sich die Wut der Demonstranten vor allem gegen die Medien und das ihrer Meinung nach falsch verstandene Verständnis von freier Meinung: „Hinter der Pressefreiheit versteckt sich Hass auf Muslime“, stand auf dem Fronttransparent geschrieben. „Die Machthaber im Westen sind es, die definieren dürfen, was Pressefreiheit ist, was Blasphemie oder auch was Terrorismus ist“, sagte der aus Tunesien stammende Jamel Asmi. Ein Jugendlicher erinnerte an die Proteste von Gläubigen, als Martin Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ in den deutschen Kinos lief. „Da sind wohl auch religiöse Gefühle verletzt worden.“ George Bush, waren sich beide einig, sei sowieso derjenige mit dem größten „religiösen Wahn“.

„Allah ist groß, Allah ist mächtig. Niemand beleidigt unseren Propheten“, sagte auch Abdul-Rasheed auf der Protestkundgebung zeitgleich in Berlin. Niemand habe ihn ermutigen müssen, zur dänischen Botschaft in Berlin zu kommen, beteuert der 34-jährige Iraner. Es sei die religiöse Pflicht eines jeden Muslims, sich gegen „diese dreckigen Karikaturen zur Wehr zu setzen“.

In Berlin versammelten sich etwa 1.200 Muslime vor den Nordischen Botschaften in direkter Sichtweite der CDU-Bundeszentrale – der Veranstalter hatte nur mit halb so viel gerechnet. „Dänemark + Freiheit = Frechheit“ oder „Die Würde aller Propheten ist unantastbar“ stand auf deren Plakaten geschrieben.

200 Polizisten hatten die Botschaften mit Sperrgittern weiträumig abgeriegelt, um eventuelle Ausschreitungen zu verhindern. Die Berliner Versammlungsbehörde hatte den Demonstranten strenge Auflagen erteilt. Kein Abfackeln von Fahnen, keine Schmähungen – ursprünglich waren die Sprecher auch darauf verpflichtet, jede Rede ins Deutsche zu übersetzen. Daran hielten sich die meisten jedoch nicht.

Anmelder der Berliner Protestkundgebung war Ercan Alagöz, ein türkischer Geschäftsmann, der nach Einschätzung von Sicherheitskreisen kein islamischer Fanatiker ist und von dem nicht bekannt ist, ob hinter ihm eine Organisation steckt. Die Islam-Expertin Claudia Dantschke bezweifelt das zumindest. Einer der Redner sei Yakup Kilic gewesen, bekannt als Hauptredner der antiisraelischen Al-Kuds-Demonstrationen, die in Berlin vor allem von irantreuen Muslimen organisiert werden. Von den Anwesenden seien zwar nicht alle Islamisten gewesen. Was die iranischen Mullahs sonst immer vergeblich versucht hätten, nämlich die gemäßigten Muslime dieser Stadt zu mobilisieren, das hätten sie nun mit dem Bezug zu den Karikaturen am Samstag jedoch geschafft, so Claudia Dantschke.

Im Anschluss an die Kundgebung wollten 25 besonders aggressive Jugendliche eine Spontandemonstration abhalten. Dazu kam es aber nicht. Andere Kundgebungsteilnehmer stoppten sie. Die Jugendlichen hätten antisemitische Sprüche gebrüllt, sagte einer vor ihnen, der die Jugendlichen aufhielt. Und das sei „zu diesem Zeitpunkt äußerst ungeschickt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen