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Italien redet Virus klein

Trotz der ersten Vogelgrippefälle setzt die italienische Regierung alles daran, die Bevölkerung zu beruhigen – zum Wohle der Geflügelindustrie

aus Rom MICHAEL BRAUN

Keine Panik – dies war die wichtigste Botschaft, die Italiens Gesundheitsminister Francesco Storace gestern verkündete. Er war zuvor durch die drei von der Vogelgrippe betroffenen Regionen – Sizilien, Kalabrien und Apulien – gereist, „um die Bevölkerung zu beruhigen“. Grund zur Besorgnis gab es genug: 6 von insgesamt 22 in Süditalien verendete Königsschwäne waren mit dem H5N1-Virus infiziert. Trotzdem versucht die Regierung vor allem zu beruhigen.

Der einzige seit dem Wochenende immer wieder verbreitete Ratschlag heißt schlicht: keine toten Vögel anfassen. Daran halten sich die Bürger. Ob die tote Ente im Teich eines römischen Stadtparks oder ein verendeter Reiher im norditalienischen Rovigo – quer durchs Land laufen die Telefone der Polizei, der Feuerwehr und der Gesundheitsämter heiß. Die Angst vor dem Virus schlägt Wellen: In dem Städtchen Riposto kam gar der Verkehr zum Erliegen, weil auf der Piazza ein Taubenkadaver herumlag.

Die Regierung versucht angesichts der Unruhe, die Gefahr klein zu reden: Risiken für die Bevölkerung seien nicht gegeben, da die Krankheit bisher allein unter Wildvögeln aufgetreten sei, die keinerlei Kontakt zu Hühnern oder Gänsen in den Geflügelzuchtbetrieben gehabt hätten. Auch die „Stadtvögel“ wie die in Rom zu Millionen präsenten Stare seien keine Gefahrenquelle. Zudem, so Gesundheitsminister Storace, hätten die Gesundheitsbehörden ein dichtes Netz der Kontrolle im ganzen Land gespannt; der Verzehr von Hühnerfleisch und Eiern sei deshalb völlig unproblematisch.

Unverkennbar zielt diese Kommunikationspolitik darauf ab, den Geflügelzüchtern einen herben Umsatzeinbruch zu ersparen. Im Oktober, als erstmals in Italien Vogelgrippegerüchte aufkamen, ging der Absatz schlagartig um 60 Prozent zurück. Die Branche, die sich erst nach Weihnachten wieder erholte, muss jetzt einen erneuten Absturz befürchten. Am stärksten ist die Furcht in Sizilien; ausgerechnet in der direkt von der Vogelgrippe betroffenen Region finden sich große Geflügelfarmen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Auskunft des Präsidenten der Region, Totò Cuffaro, er esse weiter Hähnchen, die Krise abwenden wird. Die Verbraucher dürfte es auch nicht beruhigen, wenn von den Olympischen Spielen aus Turin die Meldung kommt, dass Geflügel weiter auf dem Speiseplan der Athleten bleibe.

In den italienischen Medien löste aber vor allem Kritik aus, dass vom Auftreten des ersten Verdachtsfalles am 2. Februar acht Tage verstrichen, ehe die Regierung die Öffentlichkeit über das Schwanensterben im Süden informierte. Ansonsten beschränkte sich die Regierung jetzt auf die Einrichtung einer Hotline beim Gesundheitsministerium. Sie ist zwar seit gestern freigeschaltet, dem Ansturm der Anrufer aber anscheinend nicht gewachsen.

Eine generelle Stallpflicht wurde in Italien bisher nicht verhängt. Das ändert sich nun. Industrielle Hühnerzüchter müssen bis zum April ihre Tiere in Ställen untergebracht haben; Privatbürger können dagegen bis zu 250 Tiere auch auf dem Hof halten. Die größte Sorge machen der italienischen Gesundheitsaufsicht illegale Zuchtbetriebe – vor allem in Süditalien –, in denen ohne jede staatliche Kontrolle oft tausende Tiere gehalten werden.

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