: Gläsernes Gefängnis
Diplomausstellung der HfBK bietet flirrende Mixtur aus Botanik, Design, Malerei und Architektur
Die Bühne öffnet sich, das Licht geht an: Erstmals hat die Bühnenbildnerin Nathalie Plato der Aula der Kunsthochschule einen durch schwingende Samtkordeln angedeuteten Vorhang verpasst. Ein guter Start für den Rundgang durch die jährliche Präsentation von über 100 frisch diplomierten KünstlerInnen aus Design, Film und dem freiem Bereich sowie letztmals auch der Architektur, die bald in die Hafen City Universität (HCU) ausgegliedert wird. Was schade ist, finden sich doch gerade dieses Jahr unter den Examensarbeiten viele Raumsetzungen an der Grenze zwischen freier Kunst und architektonischem Verständnis. Da wird in Zukunft ein Spielfeld einander befruchtender Perspektiven verloren gehen.
Derzeit aber kann sich noch ein Metatext bilden zwischen den engen Gängen chinesischer Altstadtviertel, die gleich mehrere Architekten in neue Bauprojekte in Schanghai übernehmen wollen, und dem riesigen Raumkörper von Nicole Messenlehner, der nur einen schmalen Gang einer individuellen Begegnung übrig lässt. Und die erstmalige Erforschung eines 530 Jahre alten osmanischen Bades in Istanbul durch Canan Sagnak bekommt ökopolitisch einen Ausstellungszusammenhang mit Jörn Stahlschmidts „Entropie Workstation“: Es ist ein Modell eines 18.000 Watt fressenden mittelalterlichen Studiolo-Möbels, das den Ausstellungsraum mit seinen nutzlosen, komplett unsichtbaren Komfortanwendungen von Heizspirale bis zu sämtlichen Kommunikationsmedien aufheizt: Energievergeudung als Grundlage unserer Lebensform, präzise vorgeführt. Total künstlich auch die monatelange, gärtnerische Pflege fordernde Arbeit von Martina Ring: Sie hat Weinreben dazu gebracht, ihren Zyklus um knapp sechs Monate versetzt zu leben. Das Resultat: Fruchtansätze im für sie völlig atypischen Februar.
Ohne Pflanzen, aber mit lächelnden Blattgeistern sowie mit Ornament und Chaos spielend, nähert sich Anke Wenzel historischen Paradies- und Höllengärten. Die Wahrnehmung verwirren auch die Raumaufbrüche von Mirjam Thomann. In einem Modell hat sie zudem Architekturparameter von Bauten aus Palästina, Tel Aviv und Berlin zusammengelegt und mit einem Filmzitat kombiniert, das die modernistische Glasarchitektur als pseudokommunikatives Gefängnis zeigt.
Bei der Malerei fällt als ein Schwerpunkt die zeichenorientierte Leichtigkeit Asiens auf, sei es bei den Tagebuchzeichnungen von Akane Kimbara, den Papiercollagen von Meng Yin, den bösen Mädchenträumen von Nina Emiko Takata oder den Stadtbildern von Kailiang Yang.
Insgesamt ist bis hin zum Entwurf neuer Schuhputzermöbel ein breites Spektrum von Arbeiten zu sehen. Bezüge zu Geschichte, Biographie und sozialem Umfeld werden oft sehr präzise zu künstlerischen Metaphern – ein Jahrgang, der alles andere als traurig ist. Ums Weinen geht es dann auch nur in dem Polaroid-Studio von Arne Bunk, in dem statt Lächeln Tränen gefragt sind. Hajo Schiff
täglich 14–20 Uhr, Hochschule für Bildende Künste, Lerchenfeld 2; bis 26.2., Filmprogramme täglich 15–18 Uhr
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