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„Life’s a bitch and God hates us all“

HAUSBESUCH Ein veganes Tätowierstudio und knapp 80 Vogelspinnen. Bei Tina und Marco in Großrosseln

VON ARNO FRANK (TEXT) UND BERND HARTUNG (FOTOS)

Großrosseln, eine saarländische Gemeinde unmittelbar an der Grenze, zu Hause bei Tina, 35, Marco, 36, und dessen Tochter Charlize, 10.

Draußen: Ruhiges Viertel, altes Haus. Es steht so frei wie 1911, als es gebaut wurde. Frankreich ist nur einen Steinwurf entfernt. Auf der Rückseite ein Schuppen und eine Garage, darin eine betagte Yamaha XV 750. Das wilde Grundstück von 6.000 Quadratmetern steigt sanft zu einer Pferdekoppel hin an. Ein Stall für fünf Hühner, neben denen hier draußen unter anderem zwei Pferde, vier Hunde, vier Katzen und zwei Hasen leben.

Drin: Im Wohnzimmer neben dem fast wandfüllenden Fernseher ein Laufstall, gefüllt mit Stroh. Hier wurde bis vor kurzem ein Rehkitz aufgepäppelt. Im Terrarium schnarcht eine Schlange, in einem sargförmigen Glaskasten auf dem Wohnzimmertisch hockt Barney, die Vogelspinne. Marcos Zimmer im Obergeschoss ist sehr aufgeräumt, an den Wänden hängen Poster von Ballerspielen wie „Call of Duty“ und Metal-Bands wie Motörhead. Hinter der Tür die alte Uniform mit Schutzweste, die Marco in seiner Zeit als Soldat beim Pionierspezialbataillon in Bosnien getragen hat. Nebenan ist Tinas „Spinnenzimmer“. Hier leben in eigenen Terrarien zwischen 70 und 80 Vogelspinnen der verschiedenen Unterfamilien, manche schläfrig, andere unangenehm flink. In ihrer Voliere in der Ecke zwei Nymphensittiche, die hoffentlich vor Angst nicht schon verrückt geworden sind.

Wer macht was? Marco kümmert sich um Haus, Pflegetiere und die eigene Fauna und Flora: „Nur die Spinnen, nein, die fasse ich nicht an.“ Lange war er wegen posttraumatischer Belastungsstörungen krankgeschrieben, demnächst beginnt er eine Umschulung zum Zerspanungsmechaniker: „Früher hat man Dreher dazu gesagt.“ Tina verdient ihr Geld seit zehn Jahren „mit Nadel und Tinte“. Sie betreibt das vegane Tätowierstudio „Farbenwelt-Tattoo“ in Völklingen. Vegan? „Ohne den Einsatz tierischer Produkte in Abzugsflüssigkeit, Tätowierfarbe und Creme.“

Wer denkt was? „Ich habe immer von einem Bauernhof geträumt“, erzählt Tina. „Und den habe ich jetzt.“ Auch der Beruf macht ihr Freude: „Als ich 2003 angefangen habe, gab es nur Arschgeweihe und ich dachte: Wenn das so weitergeht, macht mir die Arbeit bald keinen Spaß mehr.“ Als Nächstes möchte sie sich um ein Fotostudio erweitern: „Es gibt wenige in unserer Gegend, deren Schwerpunkt die Tattoofotografie ist.“ Marco: „Ich hoffe, dass das mit meiner Ausbildung klappt. Und dass ich irgendwann besser schlafen kann“. Charlize, 10, würde sich gerne ein „Justin Bieber“-Tattoo auf den Arm stechen lassen.

Tina: Ist im „Raum Völklingen“ aufgewachsen, hat als Buchhalterin in der Spielbank von Saarbrücken gearbeitet „und dann noch rechtzeitig die Kurve gekriegt zu dem, was ich will“.

Marco: Kommt auch aus „der Gegend“ und wollte „schon immer zur Bundeswehr“, auch wenn ihm das nicht gut bekommen ist. Er hat, „für alle Fälle“, irgendwo noch immer „die Adresse der Fremdenlegion in Straßburg“.

Das erste Date: „Ich bin damals Lastwagen gefahren“, erzählt Marco. „Da kam ich an ihrem Laden vorbei, und weil ich etwas Neues wollte, habe ich mal angehalten und gefragt, was das kostet.“ Tina stach ihm dann einen Schriftzug auf den Arm, eine Mischung aus fatalistischer Redewendung und einem Songtext von Slayer: „Life’s a bitch and God hates us all.“ Tina: „Ich dachte zuerst, was ist denn das für ’n Quatsch?“ Irgendwann sind sie dann einmal essen gegangen: „Und dann sind wir noch mal essen gegangen … und dann kam eins zum anderen.“

Die Hochzeit: „Traditionell“, aber nicht kirchlich: „In einer kleinen Kapelle auf dem Berg, das schon.“ Marco: „Ich muss ja sagen, ich wollte das alles gar nicht. Haus, Heirat, das war nie etwas für mich, dachte ich. Inzwischen glaube ich, dass ich für mich zu 100 Prozent den richtigen Weg gefunden habe. Ob man’s halten kann, das weiß man ja nie.“

Kinder? „Ich bin mit Charlize glücklich“, sagt Marco. Das Kind stammt aus einer früheren Beziehung und kommt immer an Wochenenden. Tina: „Ich liebe Charlize, aber eigene Kinder möchte ich definitiv keine!“

Der Alltag: Gefrühstückt wird Frischkornbrei. Tina: „Am liebsten wären wir Selbstversorger, aber das ist zu viel Arbeit. Von der Marmelade bis zur Salatsoße ist aber alles selbstgemacht.“ Feste Arbeitszeiten hat sie keine, richtet sich nach den Terminen der Kunden. Am liebsten bleiben sie zu Hause und kümmern sich um die Tiere: „Das geht morgens um sechs Uhr schon los.“ Dazu kommt das Engagement im Tierschutzverein. Marco geht regelmäßig auf den Schießstand, „seit mir in der Therapie geraten wurde, so alleine im Dunkeln am Computer, das wäre nix.“

Wie finden Sie Merkel? Tina: „Egal, wer da vorne sitzt, die machen alle nur ’n Krampf. Was passiert, passiert sowieso.“ Marco: „Ich finde, Deutschland mischt sich bei allem zu schnell ein. Ich möchte Frau Merkels Job nicht machen müssen. Politiker, tja, dieses aufgesetzte Lachen, das brauche ich nicht.“

Wann sind Sie glücklich? Tina: „Eigentlich hier und jetzt. Mein Wunschzettel ist erfüllt.“ Marco: „Wenn ich auf meinem Motorrad hocke und durch die Vogesen fahre, dann vergesse ich alles.“

Nächstes Mal treffen wir Alexander Beisel in Höfen an der Enz. Sie möchten auch besucht werden? Mailen Sie an hausbesuch@taz.de

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