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Kickst du mich, kick ich dich

Rund die Hälfte aller Lebensversicherungen wird vor dem Ende der Ablaufzeit gekündigt. Das ist mit Verlusten für die Versicherten verbunden. Besser: die Lebensversicherung verkaufen. Doch nicht alle Versicherungen finden einen Käufer

VON TILMAN VON ROHDEN

Jede zweite Lebensversicherung wird nicht zu Ende geführt. Manchmal fehlt das Geld für die monatlichen Raten, meist jedoch liegt es an den Finanzberatern. Sie raten wider besseres Wissen oft zur Kündigung einer Lebensversicherung, obwohl dies mit hohen Verlusten für die Versicherten verbunden ist. Und mit einer Provision für den Berater. „Kegeln“ heißt das Spiel branchenintern: Kickst du mich, kick ich dich.

Das Spiel ist allgemein sehr beliebt. Für über 12 Milliarden Euro wurden im Jahr 2004 Lebensversicherungen storniert. Das kommt einer gut organisierten Geldvernichtung gleich, denn eine Stornierung vor Ende der Laufzeit ist finanziell sehr ungünstig. Die Versicherungen verlangen Stornogebühren, und die Überschussbeteiligung, die am Ende der vertraglich festgelegten Laufzeit ausgezahlt wird, verfällt ebenfalls zu einem beträchtlichen Teil. Lukrativer ist dagegen der Verkauf einer Lebensversicherung auf dem so genannten Zweitmarkt.

Von dieser seit 1999 bestehenden Möglichkeit wissen die wenigsten. Ein Verkauf hat aber viele Vorteile: Er ist gegenüber einer Stornierung bei der Versicherungsgesellschaft 5 bis maximal 15 Prozent günstiger. Der Todesfallschutz bleibt bestehen. Außerdem müssen sich Verkäufer nicht um die Kapitalertragsteuer sorgen, die bei Lebensversicherungen mit einer Laufzeit unter 12 Jahren anfällt.

Für einen Verkauf auf dem Zweitmarkt eignet sich nicht jede Lebensversicherung. In der Regel muss der aktuelle Rückkaufwert mindestens 5.000 Euro betragen, und die Restlaufzeit darf 15 Jahre nicht überschreiten. Und: Nur Kapitallebensversicherungen sind problemlos zu verkaufen.

Als Faustregel gilt, dass sich Aufkäufer um so interessierter zeigen, je kürzer die verbleibende Laufzeit und je höher der aktuelle Rückkaufwert ist. Nach Angaben des Bundes der Versicherten (BdV) liegt der durchschnittliche Rückkaufwert der angekauften Policen bei beträchtlichen 80.000 Euro. Entschließt sich ein Aufkäufer zuzugreifen, zahlt er nach einer Bearbeitungszeit von rund fünf Wochen den Betrag an den Verkäufer aus und führt die Versicherung bis zum vorgesehenen Ende fort.

Hilfreiche Geister beim Verkauf einer Lebensversicherung gibt es viele. Die meisten, die ihre Dienste anbieten, sind jedoch nur Makler. Sie organisieren den Verkauf und legen die Police einem Aufkäufer vor, der auf eigene Rechnung handelt. Auf dem deutschen Zweitmarkt arbeiten derzeit fünf solcher Akteure.

Das mit Abstand größte Unternehmen ist Cash life. Es war das erste Unternehmen am Markt und kaufte im vergangenen Jahr für 421 Millionen Euro Policen an. Der aktuelle Gesamtmarkt wird auf rund 500 Millionen Euro taxiert. „Dass Marktpotenzial ist groß. Die Hälfte aller stornierten Versicherungen sei auf dem Zweitmarkt handelbar, sagt eine Sprecherin von Cash life.

Die Aufkäufer unterscheiden sich deutlich voneinander. So kauft beispielsweise CFI Fairpay im Gegensatz zu Cash life auch fondsgebundene Lebensversicherungen an. Diese Firma arbeitet nach eigenen Angaben auch nicht mit einer Positivliste, die die akzeptierten Versicherungen notiert. Insofern lohnt sich ein Vergleich durchaus. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass professionelle Vermittler ein besseres Ergebnis erzielen als Endverbraucher. Einen besonderen Service bietet die Sparschwein AG. Sie wirbt damit, mit vielen Marktteilnehmern zusammenzuarbeiten und dem Kunden das beste Angebot zu unterbreiten – natürlich abzüglich einer Provision. Aber auch das könnte sich rechnen.

Den meisten Versicherten ist der Zweitmarkt unbekannt. Deshalb verlangen Zweitmarktanbieter, dass die Versicherungsgesellschaften per Gesetz gezwungen werden, auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine Police zu verkaufen. Gute Erfahrungen seien mit solch einer Regel in Großbritannien gemacht worden, sagt die Branche.

Das aber sieht der Bund der Versicherten (BdV) ein wenig anders. „Das Geschäftsinteresse der Zweitvermarkter richtet sich vorwiegend auf eine finanzstarke Klientel. Normalverdiener können dabei kaum Gewinn bringende Geschäfte machen“, sagt Lilo Blunck vom BdV. Es liege daher nicht im Interesse des Verbraucherschutzes, den Zweitmarkt gezielt zu fördern.

Diese Position ist unverständlich. Was will man beispielsweise davon halten, wenn der Verband der Branche vorhält, einen Mindestrückkaufwert von 5.000 Euro zu verlangen. Ist das zu viel? Ist es unethisch, nicht lohnende Geschäfte abzulehnen? Lothar Trummer vom Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) teilt die Ansichten des BdV jedenfalls nur teilweise. Er bestätigt, dass der Zweitmarkt Frühstornierern auch nicht helfen könne. Profitieren würden in erster Linie Versicherte, die sich relativ spät zum Verkauf der Police entscheiden. In manchen Fällen unverkäuflicher Policen bietet es sich an, niedrigere monatliche Beträge mit der Versicherungsgesellschaft zu vereinbaren oder die Police erst mal beitragsfrei stellen zu lassen.

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