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portraitDas fast vergoldete Flintenweib

Ein Kalauer zum Abschied muss sein: Uschi Disl hat nie die Flinte ins Korn geworfen. 15 Jahre lang ist die gelernte Bankkauffrau und Polizeimeisterin in „Turbo-Disl“-Manier über die Loipen gesprintet, schneller als alle anderen. Aber 15 Jahre lang hat die Biathletin stets auch gegen ihre „Schwammerlknie“ gekämpft und ihre unruhige Hand beim Schuss. Gegen die Wut, dass ihre zittrigen Querschläger immer wieder das Einzel-Gold zunichte machten.

„Ich bin kein abgebrühter Typ, eher jemand der nervelt“, sagte sie dann. Aber immer hat sie weiter gemacht, hat als Einzelstarterin fleißig Bronze und Silber gesammelt. Und sich gefreut, dass es zumindest in der Staffel zu Gold reicht.

Voriges Jahr war es dann so weit: In zwei Disziplinen wurde sie Einzelweltmeisterin, Sportlerin des Jahres obendrein, und jetzt in Turin gewann Disl endlich auch einmal in der Einzelwertung olympisches Gold. Fast zumindest. Bronze ist es offiziell. „Aber für mich ist es wie Gold“, sagte sie hernach, schaute glücklich und wieder einmal freuten sich Zuschauer an ihren tiefen Lachfalten.

Seit der Adelung des Damen-Biathlons zur olympischen Disziplin war sie dabei, in Turin zum fünften Mal. Von allen Spielen brachte sie mindestens ein Edelmetall mit nach Hause, ins oberbayerische Elternhaus oder nach Kössen in Tirol, wo sie mit ihrem Freund Thomas, einem schwedischen Skitechniker, lebt.

Doch das diesjährige Metall ist vielleicht das Wichtigste, obwohl es nicht gülden glänzt. Denn es ging um die Ehre. Die Staffel durfte Disl nicht mehr mitfahren, die Trainer zogen den Nachwuchs vor – eine Kampfansage an die Pionierin der Loipe. „Ich wollte eine Medaille gewinnen. Die Farbe ist mir schnurzpiepegal.“ Es ging um einen angemessenen Abschluss einer großen Sportkarriere, denn die Laufbahn neigt sich dem Ende zu, wie auch ihre Mama mit Blick auf die seit 15 Jahren angehäuften Edelmetalle schmunzelnd bemerkte: „Ich glaube, sie wird alt.“

In zwei Wochen beim Weltcup-Finale will Disl mitteilen, was das heißt. Vermutlich wird die „Grand Dame des Biathlonsports“ (FAZ) ihre Flinte sichern, in den Schrank stellen, ihre neun Olympiamedaillen, 30 Weltcup-Plaketten und zwei Einzel-WM-Titel geraderücken und eine Familie gründen. Vielleicht wird sie dann wie ihr Papa die Loipe des SC Moosham spuren und ihren Kindern das Langlaufen beibringen. Aber vielleicht hängt sie auch noch eine Saison dran und sammelt Sponsorengelder ein. Sicher ist zumindest: Disl wird nicht einfach hinschmeißen. Sondern – vielleicht mit zittrigen Knien, aber entschlossen – entscheiden. Ganz nach ihrem Motto: „Wenn's geht, dann geht's, wenn net, dann net.“ MAX HÄGLER

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