: Energiekämpfe bewegen
Die „Reclaim Power Tour“ verbindet per Fahrrad die energiepolitischen Schauplätze Deutschlands – und soll eine neue Klimabewegung zusammenbringen
Am Mittwoch macht die „Reclaim Power! Bike Tour“ in Berlin halt. Mit einer Fahrraddemo soll für ein ganz anderes Energiesystem protestiert werden.
■ Wann? Mittwoch, 24 Juli
■ Start: 17.30 Uhr auf dem Oranienplatz, mit Fahrrädern
Mit einer Fahrradreise durch Deutschland beginnt möglicherweise eine neue Klimabewegung: die Reclaim Power Tour zieht auf zwei Routen durch Deutschland und soll dabei lokale Gruppen vernetzen und die Öffentlichkeit auf Klimapolitik aufmerksam machen. Ziel ist das Klimacamp im Rheinischen Braunkohlerevier. Eine Gruppe startet am 11. August in Freiburg, die andere schon früher und nicht fern von Berlin, am 21. Juli im Klimacamp in der Lausitz. Diese Route wird nach Berlin kommen und hier am 24. Juli einen Aktionstag einlegen.
Einer der Organisatoren der Tour ist Georg, 28. Er engagiert sich in der Berliner Gruppe Gegenstrom für eine bessere Energiepolitik – und betont das Verbindende der Radreise: „Wir wollen mit der Reclaim Power Tour ein Signal setzen, dass es nicht nur viele kleine Energiekämpfe an verschiedenen Orten gibt, sondern ein großes Ganzes.“ Die Reiseroute verbindet die Orte mit Klima-Aktivismus zunächst physisch: etwa die Lausitz, wo das Dorf Proschim/Prožym einem Braunkohleabbau weichen soll; Beeskow im Landkreis Oder-Spree, wo eine CO2-Lagerstätte geplant ist; das Wendland mit seinem Kampf gegen das Atommüll-Endlager Gorleben; das Artland bei Osnabrück, wo Exxon mit Fracking Öl fördern möchte.
Die Tour soll die verschiedenen lokalen Initiativen auch auf einer menschlichen Ebene miteinander vernetzen, so dass sie gemeinsam effektiver Klimapolitik von unten gestalten können, etwa gegen Energiekonzerne vorgehen und Alternativen aufzeigen. Das Motto der Tour „Reclaim Power“ ist mehrdeutig, „Power“ bedeutet ja gleichzeitig „Energie“ und „Macht“ und knüpft auch an den Slogan „Reclaim the Streets“ zur Besetzung des öffentlichen Raums an.
Wie viele Leute bei der Tour mitradeln, ist noch nicht abzusehen. „Wir rechnen mit bis zu sechzig Teilnehmenden“, sagt Georg – das ist auch wetterabhängig, ansonsten können Mitfahrende auch jederzeit einsteigen oder wieder aufhören. Die täglichen Routen sind zwischen 40 und 70 Kilometer lang und sollen auch für Familien machbar sein. Essen gibt’s unterwegs in Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen, übernachtet wird im Zelt.
Am 23. Juli soll die Tour Berlin erreichen und voraussichtlich am Wagenplatz an der Lohmühle lagern. Für Mittwoch, den 24. Juli, ist ein Aktionstag geplant, in dessen Mittelpunkt die Aktivitäten und Ziele des Berliner Energietischs stehen. Hier geht es darum, den Energieversorger Vattenfall abzulösen und die Stromversorgung, einschließlich der Netz- und Serviceinfrastruktur, in die Hände eines demokratisch kontrollierten, ökologischen kommunalen Anbieters zu geben. Am Aktionstag soll es unter anderem eine Demonstration gegen Vattenfall geben, die auch auf das Thema Energiearmut hinweisen soll: Immer mehr Menschen können ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen. Um 17.30 Uhr soll die Demo am Oranienplatz in Kreuzberg starten, Ziel ist der Görlitzer Park. Dort sollen die verschiedenen Initiativen des Berliner Energietisches mit den Gruppen und Akteur_innen der Reclaim Power Tour zusammenkommen und sich austauschen. Die Gruppe FelS plant ein Straßentheater, außerdem soll der Riese Vattenfall symbolisch gestürzt werden.
Der Berliner Energietisch hat schon viel erreicht: Mehr als 271.000 Berliner_innen unterschrieben ein Volksbegehren, um Stromnetze und Energieversorgung in städtische Hand zu holen. Nun kommt es zum Volksentscheid, der Termin für die berlinweite Abstimmung wird voraussichtlich am 3. November sein. Dieser Erfolg war nur möglich, weil ein breites Bündnis an Gruppen am Energietisch beteiligt ist: Parteien wie SPD, Grüne, Linke und Piratenpartei, Umweltverbände wie Grüne Liga, Nabu, BUND und Robin Wood, Bürgerinitiativen, Mietervereine und politische Gruppen wie attac, FelS sowie kirchliche Gruppen. „Das ist schon Wahnsinn, wer sich da alles trifft“, sagt Georg, der mit Gegenstrom ebenfalls teilnimmt. „Das schafft auch ein Vertrauen zueinander – das vielleicht auch bei anderen Aktionen in der Zukunft nützlich ist.“
So ähnlich könnte es bei der Reclaim Power Tour auch laufen: aus vielen Gruppen entsteht ein effektives Bündnis. Auf jeden Fall wird die Tour eine spannende Reise zu den energiepolitischen Konfliktpunkten in Deutschland. Die Geschichten der Tour sollen auch aufgeschrieben werden. Auch Zuhausebleibende können die Tour unterstützen: Auf startnext.de läuft eine Fundraising-Kampagne, um einige der Kosten abzudecken.
MALTE GÖBEL
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