GEHT’S NOCH?: Petzen auf Rädern
KLAR WIRD BEI DER TOUR DE FRANCE GEDOPT. ABER DAS IST DOCH KEIN GRUND, SICH NUN GEGENSEITIG ZU VERDÄCHTIGEN!
Ach, Tour, wir hatten uns ja längst daran gewöhnt, dass alle deine Teilnehmer gut medikamentiert den Mount Ventoux hochstrampeln und nach Alpe d’Huez klettern. Selbst wenn ein Armstrong oder ein Contador alle anderen Mitreisenden wie Fahranfänger aussehen ließen, haben nachher selbst die Gedemütigten beteuert, wie sauber die Leistung bestimmt erbracht worden sei. Die Ullrich’sche Dialektik – weil alle betrogen haben, wurde keiner betrogen – hielt das Peloton zusammen.
Ach, bei dir, da herrschte Zusammenhalt. Da wurde sich geholfen, wenn das Blut mal wieder so dick war, dass die Finger nach der Zielankunft vom Lenker gehebelt werden mussten. Du, Tour de France, warst ein Vorbild – für die Mafia, für Großkonzerne, für Partnerschaften: Wir gegen die. Das ist der Boden, auf dem Goldene Hochzeiten gedeihen.
Doch nun, da mit Christopher Froome wieder einer aus deinen Reihen unmenschlich schnell die Berge bezwingt, bricht der alte Zusammenhalt. „Armstrong hatte die gleiche Dominanz wie Froome. Und später habe ich ihn bei Oprah (Winfrey) weinen sehen. Ich bin zu erwachsen, um an Märchen zu glauben“, twitterte der russische Geschäftsmann Oleg Tinkow, Hauptgeldgeber des dänischen Radsportteams Saxo-Tinkoff. So was hätte es früher nicht gegeben!
Dabei muss doch gerade Tinkow wissen, welcher Mörtel die Mauer des Schweigens zusammenhält – sein Fahrer Alberto Contador (gedopt) und sein Teamchef Bjarne Riis (gedopt) haben den schließlich jahrelang selbst angerührt.
Selbstkritik im Fahrerlager und bei den Verantwortlichen – das ist nicht mehr meine Tour de France, von der ich mich so schön moralisch überlegen abwenden konnte. JÜRN KRUSE
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