: Untergründiges Grauen
Mix aus Agatha Christie und Musical: „8 Frauen“ zählt zu jenen Kurzfilmen des französischen Regisseurs François Ozon, die das Metropolis jetzt im Rahmen einer kleinen Retrospektive zeigt
von Tim Gallwitz
Auch er hat klein angefangen, der François Ozon. Im Kreise der Familie entstehen seine ersten noch stummen Kurzfilme. In Photo de famille (1988) lässt er seinen Bruder Guillaume die Schwester und Eltern umbringen, um sie dann auf der Couch zum Familienfoto zu drapieren. Zwei Jahre später filmt er für Mes parents un jour d‘été seine Eltern an einem Feriensommertag. Bereits in diesen zwei Übungen zeigt sich sein leichthändiger Inszenierungsstil, seine Nähe zum Abgründigen und sein Gespür für die Wünsche und Ängste seiner Protagonisten, für das Begehren und die Bruchstellen in menschlichen Beziehungen.
Die Vorführung dieser Frühwerke muss leider einer breiteren Retrospektive vorbehalten bleiben, zeigt das Metropolis jetzt doch lediglich eine schmale Auswahl von Ozons Filmen. Regarde la mer (1997) ist das Herzstück des aus drei Filmen bestehenden Kurzfilmprogramms. Mit über 60 Minuten zwar kaum mehr als Kurzfilm zu betrachten, zeigt sich hier schon das enorme Talent des Franzosen. Eine Mutter verbringt mit ihrem zehn Monate alten Baby den Sommer am Meer. In den Mutter-Kind-Kosmos dringt eines Tages eine junge Camperin ein, die bittet, im Garten zelten zu dürfen. Sachte nähert man sich an, gerade die Mutter scheint von etwas Abwechslung im Gleichklang der Tage angetan. Mit kleinen Gesten und Beobachtungen jedoch schürt Ozon untergründig eine latente Atmosphäre der Bedrohung. Man hat Ozon jüngst gern in die Nähe zu Fassbinder gestellt, aber hier zeigt er, dass er auch noch anderen Granden zugeschaut hat. In den Schuss-Gegenschuss-Nahaufnahmen der Gesichter beider Frauen erkennt man Bergmans Technik, den Aufbau von Spannung hat Ozon bei Hitchcock gelernt. Diese Atmosphäre der spannungsvollen Ungewissheit hat Ozon in Unter dem Sand (der leider nicht gezeigt wird) mit der großartigen Charlotte Rampling dann meisterhaft in Szene gesetzt.
Wenn etwas den Filmemacher François Ozon auszeichnet, ist es seine Vielseitigkeit. Im Kurzfilm Une robe d‘été (1996) sieht man den spielerisch-amüsanten Ozon am Werk, der losgelöst von starrer Festlegung mit Hetero- und Homosexualität spielt, der jugendlichen Leichtsinn und Leichtigkeit in ein sommerliches Gewand kleidet. Diese Vielseitigkeit und Leichtigkeit spiegelt sich auch in 8 Frauen (2001). Für seinen Konvent der Schauspielköniginnen Frankreichs mit Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Fanny Ardant, Emmanuelle Béart und anderen hat sich Ozon wieder neu erfunden. Auf einem eingeschneiten Landsitz ist der Herr des Hauses ermordet worden. In diesem cineastischen Cluedo muss eine der acht Frauen die Täterin sein. Ozon nimmt sich hier einen klassischen Wer-war‘s-Krimi à la Agatha Christie, mixt ihn mit Musical-Elementen – jede der acht Frauen singt einen Chanson –, staffiert alles im Hollywood-Look der 50er-Jahre aus und würzt das Ganze mit komödiantischen und grotesken Elementen. Ein Diventreffen der besonderen Art, in dem die Schauspielerinnen einander zu Höchstleistungen treiben, etwa, wenn die Deneuve Fanny Ardant mit der Waffe in Schach halten will, bis sich beide auf dem Boden wälzen und sich nicht ein Schuss, sondern ein Kuss löst. Auch hier hat Ozon seinen Hitchcock gelernt, denn Sir Alfreds Credo war: Inszeniere Liebesszenen wie Mordszenen und Mordszenen wie Liebesszenen.
Die François-Ozon-Retrospektive wird anschließend fortgesetzt mit Swimmingpool (2003) und 5x2 (2004).
Kurzfilme 2.3., 21.15 Uhr, 3.3., 21.15 Uhr, 4.3., 19 Uhr, 6.3., 21.15 Uhr. 8 Frauen (OmU): 7.3., 19 Uhr sowie 8.3., 21.15 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen