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portraitEine Außenseiterin mit Ambitionen

Als Schülerin gehörte sie zu den Ersten im Jemen, die keinen Schleier trugen. Damals musste ihr Vater noch den absolutistisch herrschenden Imam um Erlaubnis für das fehlende Tuch bitten. Jetzt will Sumayya Ali Rajja selbst Staatschefin werden. Die 51-Jährige hat ihre Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im September angekündigt, bei der sie den seit knapp drei Jahrzehnten amtierenden Ali Abdullah Saleh ablösen will.

„Ich bin die absolute Außenseiterin“, sagt Rajja über sich selbst. Sie ist keine Politikerin, sondern Fernsehjournalistin. Die meiste Zeit ihres Lebens hat sie in den USA und Frankreich verbracht, und sie ist eine Frau in einer von Männern dominierten erzkonservativen islamischen Gesellschaft. Doch gerade in ihrer Außenseiterrolle wittert Rajja eine Chance: Die verschaffe ihr Glaubwürdigkeit. Das politische Establishment halte sie für „völlig harmlos“, deshalb sei sie frei, zu sagen, was sie denke, sagt ihr Berater Abdulrani al-Iriyani.

Rajja kam vor einem halben Jahr von Paris nach Sanaa zurück, damit ihre zehn und elf Jahre alten Kinder im Jemen aufwachsen. Doch die Veränderungen in ihrer Heimat, die Verarmung, die Korruption und der Einfluss der Fundamentalisten haben sie „schockiert und wütend gemacht“. Also beschloss sie zu handeln, „bevor in drei Jahren nichts mehr übrig ist“ vom Jemen ihrer Jugend.

Rajja gibt nicht vor, Lösungen für alle Probleme eines der ärmsten Länder der Welt zu haben. „Wenn wir nichts ändern, wird niemand für uns etwas ändern. Wir sind selbst verantwortlich für unsere Gesellschaft und unsere Regierung“, lautet ihre Botschaft.

Noch sind die Kandidaten nicht offiziell zugelassen. Doch die anfängliche Skepsis gegenüber der „zornigen Kandidatin“ schwindet. Vermuteten zunächst viele, sie würde von der Regierung als Alibi-Frau bezahlt, scharen sich nun Vertreter aus allen Parteien um Rajja. Auch der Präsident könnte auf die Unabhängige angewiesen sein: Sollte er entgegen seiner eigenen Ankündigung doch noch einmal antreten, braucht er laut Verfassung einen Gegenkandidaten. Bleibt Saleh, dann wollen die meisten anderen Bewerber einen Rückzieher machen.

„Es geht nicht um Gewinnen oder Verlieren“, sagt Rajja, auf ihre Siegeschancen angesprochen. Sondern darum, mit ihrer Kandidatur ein Beispiel zu geben. Und wer ist ihr Vorbild? Das findet Rajja in der Geschichte: die im 11. Jahrhundert in Südarabien herrschende Königin Arwa, die bis heute von den Jemeniten verehrt wird. Ein Jahrtausend später sei es nun wieder Zeit für eine Frau an der Spitze des Jemen, meint Rajja. SUSANNE SPORRER

KLAUS HEYMACH

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