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BND enttarnt sich als NSA-Spitzel

AFFÄRE Schon seit 2002 gibt es eine bisher unbekannte Vereinbarung zur Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst. BND beteuert: Es werden keine Informationen Deutscher an die Amerikaner weitergeleitet

Die Daten werden um personenbezogene Daten Deutscher bereinigt

VON WOLF WIEDMANN-SCHMIDT

BERLIN taz | Wie kommt die US-Abhörbehörde NSA an Hunderte Millionen Verbindungsdaten aus Deutschland? Diese Frage bewegt seit Wochen die Republik. Hatten doch vom ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden an die Öffentlichkeit gebrachte Geheimdokumente nahegelegt, dass hierzulande pro Monat rund eine halbe Milliarde Telefon- und Internetverbindungsdaten von der National Security Agency abgegriffen werden – also wer, wann wo mit wem telefoniert oder mailt.

Als „Sigad US-987-LA“ und „US-987-LB“ wurden zwei Daten-Sammelstellen intern von der NSA in einem Dokument aus dem Snowden-Archiv bezeichnet, das der Spiegel vor einer Woche abgedruckt hat. Jetzt kommt heraus: Hinter diesen zwei Sammelstellen steckt der deutsche Auslandsgeheimdienst BND, der offenbar Monat für Monat massenhaft Verbindungsdaten an die NSA weiterreicht.

„Der BND geht davon aus, dass die Sigad US 987-LA und -LB Bad Aibling und der Fernmeldeaufklärung in Afghanistan zuzuordnen sind“, teilte der Bundesnachrichtendienst am Wochenende mit. Gleichzeitig beteuerte er aber, dass der Telekommunikationsverkehr von Deutschen von dieser Erfassung nicht betroffen sei, sondern lediglich „Auslandsverkehre insbesondere in Krisengebieten“. Bevor diese Daten an den US-Geheimdienst NSA weitergeleitet würden, bereinige sie der BND „in einem gestuften Verfahren um eventuell darin enthaltene personenbezogene Daten deutscher Staatsangehöriger“, so der Geheimdienst nach eigenen Angaben – ohne allerdings nähere Details zu nennen, wie das bei solchen enormen Datenmassen technisch überhaupt möglich ist. In der bayerischen Stadt Bad Aibling kooperiere der BND „in dieser Form“ seit mehr als zehn Jahren.

Trifft die Darstellung des BND zu, würde sich der Vorwurf, die NSA greife innerhalb von Deutschland monatlich Hhunderte Millionen Internet- und Telefonverbindungsdaten von Deutschen ab, stark relativieren – gleichzeitig würde aber deutlich, wie intensiv der BND im Ausland aufgeschnappte Informationen mit der US-Abhörbehörde austauscht; und dass es in diesem Zusammenhang sogar seit 2002 eine bisher nicht bekannte Vereinbarung gibt.

Die enge Zusammenarbeit der beiden Dienste überrasche ihn nicht, sagte Steffen Bockhahn, der für die Linkspartei im Geheimdienstkontrollgremium (PKGr) des Bundestags sitzt, am Sonntag der taz. „Die Frage ist, ob man es richtig findet, dass der BND sich an einer globalen Totalüberwachung beteiligt.“ Das parlamentarische Kontrollgremium trifft sich in genau einer Woche zu seiner nächsten Sitzung in der Ausspähaffäre. Dort will nicht nur Bockhahn nach wie vor dringend wissen, was die NSA und von ihr beauftragte Firmen selbst in Deutschland treiben – und was die Bundesregierung darüber weiß und wusste.

Der massivste Verdacht, der nach wie vor im Raum steht: dass einer der weltweit größten Internetknoten in Frankfurt am Main angezapft und massenhaft Inhalte an die NSA oder den britischen Partnerdienst GCHQ weitergeleitet wurden. Klare Belege fehlen allerdings nach wie vor.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat inzwischen die deutschen Geheimdienste und die zuständigen Ministerien aufgefordert, ihre Erkenntnisse in der NSA-Ausspähaffäre mitzuteilen. Zuvor seien entsprechende Medienberichte über die Enthüllungen von Edward Snowden von der Ermittlungsbehörde ausgewertet worden. Die Bundesanwaltschaft prüft, ein Verfahren wegen Spionage einzuleiten. Je nach Ausgang der Vorprüfung könnte die Bundesanwaltschaft dann womöglich auch den Ex-NSA-Mitarbeiter Snowden als Zeugen befragen. Mehrere Oppositionspolitiker sowie der Bundesdatenschutzbeauftragte fordern dies. Der 30-jährige Enthüller hatte am Donnerstag nach über einem Monat Aufenthalt im Transitbereich den Moskauer Flughafen verlassen und von Russland für ein Jahr Asyl bekommen.

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