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Ein bisschen Hund darf bleiben

Die „Hansetier“ präsentiert allerlei Möglichkeiten, Geld für das liebe Getier auszugeben: vom rosa Hütchen für den Mops bis zur Ballschleuder für das Herrchen. Und wenn die Katze faucht, hilft der Psychiater mit einer Bachblütentherapie

von Mathias Becker

Ein Pudel stolziert im roten Samtrock über den Catwalk. Im folgt ein Mops im mit rosa Hütchen. Andere Vierbeiner tragen eine hochwertige Lederleine, in gleicher Optik wie Herrchens Gürtel. Etwa zehn fast bis zur Unkenntlichkeit aufgemotzte Hunde schickt die Pöseldorfer Hundeboutique „VIPets“ auf den Laufsteg. Ein paar Zuschauer drängeln sich staunend am Rand – und sind sich nicht ganz einig, was sie von der Show halten sollen. „Ein bisschen Hund dürfen sie ruhig bleiben“, meint Besucherin Anett Lattke. Ihre zwei Söhne hingegen sind ganz angetan von „Heinz“, dem Pinscher im Frack.

Eine breite Palette nützlicher bis absurder Produkte für Tiere und ihre Halter präsentiert die erste Hamburger Heimtiermesse „Hansetier“. Rund 20.000 Besucher lassen sich am Wochenende von Wellnessfood für Wellensittiche und Rettungsgeschirr für Huskies in die Halle des Modezentrums Schnellsen locken.

„Mit einem Augenzwinkern“, will Sam Jolig, Geschäftsführerin von „VIPets“ die Schau verstanden wissen. „Wir übertragen einfach Trends bei uns Menschen, wie zum Beispiel den Camouflage-Look auf Hunde“. Jolig sorgt sich aber nicht nur um das Äußere der kleinen Lieblinge. Schließlich geht die Liebe zwischen Mensch und Tier auch durch den Magen: Aus Reismehl, Weizenmehl, Honig und „seltenen Gewürzen“ entstehen in ihrer Bäckerei „Tidbits“, Chips für den gemütlichen Couchabend von Vier- und Zweibeiner.

Ironisches Highlight des „VIP“-Sortiments: Eine im Rahmen einer MTV-Show entstandene Luxus-Hundehütte. Die burgähnliche Ein-Quadratmeter-Behausung wird über eine Zugbrücke betreten und ist mit Überwachungskameras ausgestattet. Eine throngleiche Rattan-Couch und Lautsprecher mit „Chill-Out-Musik“ runden das Ambiente ab. Für schlappe 2.500 Euro können Herrchen oder Frauchen ihren Dackel damit beglücken.

„Die Kunden haben ein verstärktes Interesse an Produkten, die die Tiere verwöhnen“, erzählt Herwig Eggerstedt, der vor 18 Jahren „Das Futterhaus“ gegründet hat. Die Hamburger Ladenkette für Tierbedarf hatte in ihren 150 Filialen die Angebotspalette bereits bis ins kleinste Detail ausdifferenziert. Dann entdeckte Eggerstedt die Marktlücke im Edelsegment – und gründete im vergangenen Jahr „VIPets“, die Boutique von der er selbst sagt: „Das ist halt alles ein bisschen verrückt.“

Doch auf exotischen Schnickschnack hat Eggerstedt kein Monopol. Auf der Messe finden sich reihenweise Erzeugnisse, deren Relevanz für tierische Bedürfsnisse zumindest ungeklärt ist: Da verstärken oder verhindern Kräutershampoos aus der Schweiz alle möglichen Fellphänomene bei Hunden, Mundhygienepräparate bekämpfen den schlechten Atem der Rudeltiere. Katzenfutter wird zwar speziell für „gemütliche Salonlöwen“ oder „lebhafte Abenteurer“ angeboten. Aber ob die so klassifizierten Samtpfotigen die feinen Unterschieden überhaupt bemerken, bleibt unklar. Befriedigt werden in erster Linie die Gelüste der Katzenhalter. Als Treuegeschenk können sie etwa einen „Design-Teller aus der New Wave-Kollektion“ gewinnen. Oder gleich das vom Starkoch Thierry Roussey vorgeschlagene Lachssteak garen, das ganz wunderbar zum im Katalog angepriesenen Katzenfutter passen soll.

Mensch und Tier so nah beieinander, das ist für Marion Granzow nichts Ungewöhnliches. „Tiere haben auch Empfindungen“, sagt die Tierpsychologin, die in ihrer Winterhuder Praxis Hunde, Katzen, Pferde und sogar Nager betreut. „In der heutigen Zeit sind Tiere häufig acht Stunden oder länger alleine zu Hause“, weiß Granzow. Symptome, die sie bei den Tieren dann vorfindet, reichen von Apathie, Depressionen bis hin zu Aggressivität. Eine Anamnese für 35 Euro kann hier Klarheit schaffen. Bachblüten oder homöopathische Behandlungsmethoden für 25 Euro pro halbe Stunde helfen den Leidenden, erklärt die Therapeutin. Fehle dem Patienten menschliche Aufmerksamkeit, so setze ihre Verhaltenstherapie allerdings auch schon mal beim Halter an, ergänzt Granzow.

Genau hier sieht auch Reinhold Bergler das Problem. Der Bonner Psychologieprofessor ist nicht auf der „Hansetier“ anzutreffen. Vielmehr untersucht er seit Jahren Mensch-Tier-Beziehungen, und hat herausgefunden, dass Verwöhnen und Vernachlässigen von Heimtieren häufig eine unheilige Allianz eingehen: „Da entscheiden Launen über das Maß von Zuwendung.“ Wichtig sei, so Bergler, dass man eine konstante partnerschaftliche Beziehung zu dem Tier entwickelt. „Das“, betont Berger, „ist artgerecht.“

Wird dies zum Maßstab für den Halter, das ergeben seine Studien, dann können Tiere einen enormen Gewinn für das menschliche Leben bedeuten: „Alten Menschen, die sich etwa um einen Vogel kümmern, geht es im Vergleich gesundheitlich besser, als ihren einsamen Altersgenossen“, so der Psychologe. Die gewissenhafte Pflege eines Heimtieres habe sich zudem als förderlich für die Kompetenzentwicklung von Kindern erwiesen.

Doch auch dafür braucht man Zubehör, wie die Böttchers aus Moorregge wissen. Sieben Tiere plus eine nicht genannte Zahl an Fischen hat die Familie zu Hause um sich: Hund, Katze, Maus, Meerschweinchen und Hasen. Da haben sie es sich nicht nehmen lassen, auf der Messe nach Innovationen zu stöbern. Und im reichhaltigen Angebot wurden Böttchers fündig. Den Mäusen bringen Böttchers Söhne Gunnar und Norman einen ausgehöhlten und mit Futter gefüllten Ast mit. So kann man seine liebsten Felltiere auch ohne samtenen Thron krönen. Und Vater Arne hat eine Schleuder entdeckt, die Tennisbälle gut 80 Meter weit katapultiert. Schäferhund „Max“ wird es genauso danken wie Vaters Wurfarm. Eine perfekte Hilfe für die Mensch-Tier-Beziehung.

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