OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Udo Kier ist zweifellos der einzige lebende deutsche Kinostar von Weltgeltung: Er drehte mit Fassbinder und Argento, mit von Trier und Schlingensief, er gab Pam Anderson die Stichworte und trachtete Pinocchio nach dem Leben. Geht’s um Kunst, Camp und wirklich Schräges, kann man sich auf den gebürtigen Kölner unbedingt verlassen: Kier ist der Mann für das Jovial-Sadistische. Da wundert es auch nicht, dass er schon einmal Baron Frankenstein verkörperte: In Paul Morrisseys italienischer Produktion „Andy Warhols Frankenstein“ (1973) bastelt er natürlich an aus Leichenteilen zusammengesetzten Kreaturen, die dann nicht ganz so funktionieren wie geplant. Splatter- und Goreeffekte kommen dabei mehr als gut zur Geltung: Ich sah den Film einmal in seiner ursprünglichen 3-D-Version, bei der einem ständig irgendwelche Gedärme und andere innere Organe direkt vor der Nase baumeln. Im Babylon Mitte wird es leider nur die Normalversion geben, da kann man sich dann mehr auf Udo Kiers Schauspielkunst konzentrieren. (31. 3. Babylon Mitte)
Im Jahr 1982 knüpfte Wim Wenders mit einem halblangen Dokumentarfilm ästhetisch noch einmal direkt an sein Frühwerk an: Für „Chambre 666“ installierte der Regisseur während der Filmfestspiele von Cannes in einem Hotelzimmer eine starre 16-mm-Kamera und ließ eine Reihe seiner Regie-Kollegen für die Länge einer Filmrolle mit einem Fragenkatalog zum Zustand und zu der Zukunft ihrer Kunst allein im Raum. Das Ergebnis ist ebenso interessant wie aufschlussreich und deckt die ganze Bandbreite des Kinos ab: Bei Jean-Luc Godard wird daraus ein kleiner Essay mit seinen typisch um die Ecke gedachten Assoziationsketten, Steven Spielberg erörtert Hollywood-Budgets, und Michelangelo Antonioni zeigt sich einmal mehr gegenüber allen neuen Kinotechniken als überaus aufgeschlossen. (25.3. Lichtblick-Kino)
Nach dem Album „Icky Thumb“ (2007) wurde es ja etwas stiller um die White Stripes – vor allem, weil sich Gitarrist Jack White mehr um seine anderen musikalischen Projekte kümmerte. Der Tournee-Film „The White Stripes Under Great White Northern Lights“ zeigt Jack und Drummerin Meg White nun auf der 2007er Tour durch Kanada, einmal quer durch alle Provinzen. Was die Dokumentation von Emmett Malloy dabei so unterhaltsam macht, ist nicht nur der Blick hinter die Kulissen mit den bekannt verteilten Rollen der Protagonisten (Meg White: „I’m quiet“, und zwar so still und leise, dass das wenige, das sie sagt, zum besseren Verständnis untertitelt ist), sondern vor allem die seltsamen Orte, an denen die White Stripes manchmal auftreten: eine Bowlingbahn (weil die beiden halt gerne bowlen), ein Kindergarten und ein Altenheim für Inuit, um nur einige zu nennen. Dabei hat man übrigens nie das Gefühl, dass sich die beiden über irgendjemanden lustig machen – nicht einmal, als ein Auftritt nur aus einem kurzen Akkord zu bestehen scheint. Das Publikum verlangt prompt eine Zugabe: „One more note, one more note!“ (26.3. Hackesche Höfe) LARS PENNING
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