JÖRN KABISCH ANGEZAPFT: Bittersüßes aus Ramallah
Bier ist, weit vor dem Wein, ein Weltgetränk. Kaum ein Land, das nicht stolz ist auf seine nationale Marke. Auch vom Verbraucher wird Bier zumeist als regionales Produkt identifiziert, selbst wenn sich dahinter oft Weltkonzerne verbergen. Und obwohl es schon seit Jahrhunderten rund um den Globus transportiert wird – am besten schmeckt es möglichst nah am Sudkessel.
Praktisch jedoch lässt sich ein Münchner Oktoberfestbier geschmacklich identisch auch in Peking oder Santiago de Chile brauen. In den Weintrauben hinterlassen das jahreszeitliche Klima und die Beschaffenheit der Böden ihre Spuren, beim Gerstensaft ist es höchstens das Wasser vor Ort, Stichwort: „gebraut mit Felsquellwasser“. Eine Art von „Terroir“ hat Bier trotzdem. Bestimmt wird das aber vom Brauer und von den regionalen Geschmacksgewohnheiten.
Man muss dafür nur einmal ein sehr weit gereistes Bier probieren. „The finest of the Middle East“ nennt sich Taybeh, ein Bier aus dem gleichnamigen Ort im Westjordanland in der Nähe von Ramallah. Die Kleinbrauerei feiert gerade ihr 20-jähriges Bestehen. Gründer Nadim C. Khoury kehrte 1993 aus den USA in seine Heimat zurück, nachdem sich Rabin und Arafat in Oslo die Hände gereicht hatten. Er wollte seinen Teil zum Aufbau des Landes hinzugeben und ein Bier für die ganze Region brauen – nach dem Motto „Taste the Revolution“. Taybeh, das koscher ist, erfreut sich heute auch in Israel großer Beliebtheit. Es ist von goldorangefarbenem Ton, riecht etwas heftig. Aber die lebendige Kohlensäure gibt dem leicht schmeckenden Bier extreme Frische. Im Abgang machen sich Orangenschalentöne bemerkbar, süßlich-bitter, genau das Richtige im heißen Klima der Levante. Das Taybeh hat viel mehr Charakter als israelische Sorten wie Goldstar oder Maccabee. Eiskalt getrunken versetzt es einen sofort an den quirligen Strand von Tel Aviv.
■ Taybeh Golden, Taybeh Brewing Company, Alkohol 5 Vol.-%
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