partnership of fools. wahrheit hoch zwei (5) von WIGLAF DROSTE und RALF SOTSCHECK:
Was bisher geschah: In der „WeinWunderbar“ in Speyer lässt uns Gastgeber Walter Deutsch Pfälzer Rieslinge probieren. Sotscheck arbeitet sich zielstrebig zum Mirabellenbrand vor, als plötzlich ein Foto von ihm herumgeht und für Furore sorgt. Das Bild, auf dem Display eines Mobiltelefons zu sehen, zeigt Sotscheck in der lokalen Bahnhofsbuchhandlung. Neben seinen Kopf häft er ein Buch von Dirk Bach, „Vegetarisch schlemmen“, auf dem Bach seine diversen Kinne präsentiert. Sotscheck, den Kopf gesenkt und das Kinn gegen den Hals gedrückt, posiert überzeugend als Bachs Zwillingsbruder. Nur das Wort „vegetarisch“ wirkt angesichts der gewaltigen Fleischberge auf dem Foto befremdlich.
Nachdem Sotscheck das Erpressungsmaterial für immer unauffindbar verschwinden lässt, bringt uns die Regionalbahn von Speyer nach Mainz. Da der Zug randvoll quietschender Schüler ist, suchen und finden wir Ruhe in der ersten Klasse. Kein Schaffner kommt, die Bahn lädt uns ein. So ist es oft: Das freundliche Personal macht am Kunden gut, was Schurkenmehdorn zuvor an ihm verbrach.
In Mainz streiken die eigenen technischen Geräte, kolumniert werden muss also im Internetcafé. Hier gelten andere Gesetze als im Zivilleben. Am Computer rechts nebenan lässt ein Ehepaar einen Säugling im Tragekorb brüllen und streitet nicht minder laut, wer von beiden ihn beruhigen muss und wer weiter am Computer spielen darf. Eine junge Frau begibt sich in eine der Telefonzellen im Lokal und beginnt ohne Umschweife zu schreien. Die Italienerin und herrscht ihren römischen Freund an, er solle auf der Stelle nach Mainz kommen. Was für ein Temperament, was für ein Feuer, welche Leidenschaft – und was für eine Lautstärke! Vielleicht ist der Kerl ja ein Sausack und lässt sie hängen – vielleicht hat er aber auch Angst um seine Trommelfelle?
In Rheinland-Pfalz wird ein Landtag gewählt, so ist auch die Landeshauptstadt mit Plakaten vollgepetert. Die REP-Nazis sind, wie das halbe Land, auf dem „Deutschland!“-Trip. „Deutschland ist geil“ heißt eine ihrer Parolen, dazu sieht man eine obenrum eher dürftig bekleidete Dame, die ihre halb bedeckten Glocken raushängen lässt. Sind das noch unsere Nazis? Wenn das der Führer wüsste! Dann ginge es ruckzuck ab – in eines dieser KZ, die es angeblich nie gab.
Unser Leselokal heißt „Schick und Schön“ und ist die ehemalige Wartehalle des Bahnhofs Mainz-Süd; wo früher Fahrkahrten verkauft wurden, ist jetzt die Garderobe. Der Laden feiert seinen vierten Geburtstag – und bekam am selben Tag die Kündigung zugestellt. Der Veranstalter nimmt es sportlich – 14 Tage Abschied feiern und dann weitersehen. Wir essen in einem Spätlokal, Rindswurstriemen (Droste), Pizza Döner (Sotscheck). Muss das denn immer sein?
Freitag 17. 3., ICE Mainz–Leipzig, Bordrestaurant. Ein Fahrgast nimmt sein volles Bierglas mit ins Abteil, der Kellner hetzt hinterher. „Das ist verboten!“, japst er. „Das mache ich seit zwei Jahren so!“, kontert der Gast. „Rufen Sie den Schaffner! Wollen Sie mich körperlich angreifen?“ Der Kellner entwindet ihm das halb geleerte Glas, erstattet ihm den vollen Preis und kehrt, das erjagte Bierglas stolz in der Hand, an seinen Arbeitsplatz zurück.
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