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Erntehelfer sozialversichert prompt zu teuer

Spargelbauern und Erdbeerpflanzer fürchten um ihre Existenz: Ihre osteuropäischen Erntehelfer werden zu teuer – weil erstmalig auch volle Beiträge zur Sozialversicherung fällig werden. Tausende Arbeitslose zum Ernteeinsatz bereit

DÜSSELDORF taz ■ Polnische Erntehelfer werden den deutschen Bauern zu teuer. „Es gibt bereits einige, die nicht mehr kommen, weil es sich für sie schlicht nicht mehr lohnt“, klagt Bernhard Rüb, Sprecher der Bonner Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Hintergrund sind Beiträge zur polnischen Sozialversicherung, die nach dem Beitritt des osteuropäischen Nachbarn in diesem Jahr erstmalig fällig werden – und höher sind als die Kosten der deutschen Sozialsysteme: Der polnische Sozialversicherungsbeitrag liegt derzeit bei rund 48 Prozent. Davon entfallen 20 Prozent auf die Arbeitgeber und 28 Prozent auf die Arbeitnehmer. In der Bundesrepublik dagegen liegt der Beitragssatz zur Sozialversicherung derzeit nur bei knapp über 40 Prozent.

Die deutschen Bauern stehen damit vor massiven Lohnerhöhungen, wenn sie nicht auf die osteuropäischen Saisonarbeiter zum Spargelstechen, Gurken- oder Erdbeerenpflücken verzichten. „Für die Betriebe bedeutet das höhere Kosten von bis zu 48 Prozent“, sagt auch Hans-Heinrich Berghorn vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) in Münster – schließlich würden auch in Großbritannien oder Schweden Saisonkräfte gesucht. Damit sei die Konkurrenzfähigkeit nicht nur der Spargelbauern gefährdet: „Diese Sonderkulturbetriebe haben nur wegen der Hilfskräfte aus Osteuropa eine Renaissance erlebt.“

Denn gerade die Erntehelfer aus Polen gelten bei deutschen Bauern als eingearbeitet und technisch versiert – schließlich arbeiten Einige bereits seit zehn Jahren in Deutschland. Außerdem waren die polnischen Erntehelfer trotz Stundenlöhnen um fünf Euro hoch motiviert: „Sie müssen das in Zloty umrechnen“, sagt WLV-Sprecher Berghorn: „Selbst Akademiker haben bei uns in der Vergangenheit in drei Monaten mehr verdient als in Polen im Rest des Jahres.“

Auf deutsche Arbeitslose aber wollen die Landwirte trotz Drucks der Politik nur ungern zurückgreifen. „Das hat in den vergangenen Jahren nicht geklappt, und das wird auch in diesem Jahr nicht klappen“, sagt Bernhard Rüb, von der Landwirtschaftskammer. Den Deutschen mangele es schlicht an Motivation und Zuverlässigkeit: „Einige wollen um sechs Uhr früh noch nicht arbeiten, anderen ist es zu warm im Gewächshaus.“ Dabei greifen in diesem Jahr erstmals Kontingente für polnische Erntehelfer: Landwirte dürfen nur noch 80 Prozent der Jobs mit Osteuropäern besetzen, 20 Prozent müssen an deutsche Arbeitslose gehen. Nur wenn diese nicht zu finden sind, dürfen weitere zehn Prozent an polnische Saisonarbeiter gehen, so die Vorgabe der Bonner Zentralstelle für Arbeitsvermittlung, die für die Bundesanstalt für Arbeit die nötigen Arbeitserlaubnisse erteilt.

Viele Arbeitssuchende aber wollen mittlerweile gern als Saisonkräfte arbeiten. „Über 5.000 Arbeitslose stehen bereits jetzt bereit“, sagt Werner Marquis, Sprecher der nordrhein-westfälischen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Bei einem Bedarf von rund 51.000 Saisonkräften in NRW ist damit das Mindestkontingent von zehn Prozent bereits erreicht – und das freiwillig, wie Marquis betont: „Die Menschen wollen arbeiten.“ Schließlich gebe es keine Probleme, selbst Ein-Euro-Jobs zu besetzen.

Existenzsichernd aber ist die Saisonarbeit nicht: Bei einer 40-Stunden-Woche beträgt der Mindest-Monatslohn gerade einmal 827 Euro brutto. SozialpolitikerInnen wie die Grüne Barbara Steffens fordern deshalb einen Mindestlohn von sieben Euro und mehr: „Gute Arbeit muss auch fair bezahlt werden.“

ANDREAS WYPUTTA

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