Off-Kino: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Im April zeigt das Arsenal eine filmhistorische Rarität: In fünf Programmen mit je zwei Folgen laufen die insgesamt zehn Episoden des Serials „Les vampires“ (1915/16) von Louis Feuillade, einer bizarren Kriminal- und Abenteuergeschichte, in der die Schauspielerin Musidora im hautengen schwarzen Kostüm als wohl erster Vamp der Filmgeschichte reüssierte. Als Irma Vep führt sie die Verbrecherbande an, die Paris mit Mord und Entführungen terrorisiert, derweil der Journalist Guérande, sein komischer Freund Mazamette und eine wenig durchschlagskräftige Polizei den Schurken auf den Fersen sind. Es geht um Giftanschläge, Hypnose, halsbrecherische Fluchten und wilde Orgien: In Paris herrscht Anarchie. Während die wenig logischen Handlungselemente der fantastischen Geschichten Feuillades in Deutschland eher auf Unverständnis stießen, ließ sich das französische Kino (man denke an die Fantomas-Reihe mit Jean Marais und Louis de Funès) immer wieder davon inspirieren.
Eine interessante Musikdokumentation läuft am kommenden Mittwoch im Ex ’n’ Pop: „Die Beach Boys und der Satan“ von Christoph Dreher und Rotraud Pape entstand 1997 im Rahmen der sorgfältig und kenntnisreich gestalteten TV-Reihe „Pop Odyssee“ und erzählt vom kalifornischen Lebensgefühl der 60er-Jahre. Die Beach Boys, das sind natürlich die Beach Boys, deren Mastermind Brian Wilson die Surf- und Auto-Themen irgendwann zugunsten seiner Teenage-Angst-Miniopern aufgab und schließlich im Nebel von psychedelischen Drogen und Selbstzweifeln vorübergehend verschwand. Der „Satan“, das ist Charles Manson: Mit den Morden seiner „Family“ fand die Hippie-Bewegung ihr Ende. Nebenbei kommen Dick Dale und die Chantays zu Wort, Kim Fowley singt ein Lied von der Musikgeschichte der mittleren 60er, und der stets brillante David Thomas erklärt, warum „Smile“ das perfekte Rockalbum ist („Weil es nicht existiert“). Besonders komisch (und eigentlich auch irgendwie traurig zugleich) ist ein Ausschnitt aus der Sketch-Sendung Saturday Night Live von 1975 mit John Belushi und Dan Aykroyd als „Surf Patrol“, die den zu Hause im Bett liegenden Brian Wilson mit einer Vorladung wegen seiner konstanten Weigerung zu surfen konfrontieren und ihn im Bademantel zum Strand schleppen, wo er gezwungen wird, ein Board zu besteigen: „This is your wave, Mr. Wilson!“
Eine erstaunlich ungeschönte Darstellung des Alkoholismus ist Billy Wilders „The Lost Weekend“: Von der ersten Sekunde der Handlung an bewegt sich der Schriftsteller Don Birnam (Ray Milland) in einer nahezu unaufhaltsamen Abwärtsspirale: ein ständig überforderter Mann ohne großes Selbstwertgefühl, der in seiner Sucht schrittweise auch den letzen Rest an Selbstachtung aufgibt und in immer demütigendere Situationen gerät. Stilistisch ist der Film vor allem von der Arbeit des Kameramanns John F. Seitz bestimmt, einem Meister des „low-key-lights“, wie man es für die düsteren Geschichten des Film noir mit ihren zerrissenen Charakteren gern verwendete.LARS PENNING
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