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LIEBER EINE UTE VOGT ALS IHRE LANGWEILIGEN KRITIKER IN DER SÜDWEST-SPDFrau Etwas gegen Nichts

Ute Vogt hat ganz schön viel Murks gemacht. Sie hat im Wahlkampf geglaubt, das Thema Arbeitsmarkt ziehe in Baden-Württemberg – dabei ist es das Land mit der bundesweit geringsten Arbeitslosigkeit. Sie hat noch gehofft, mit der Ganztagsbetreuung punkten zu können, als die CDU sie ihr längst geklaut hatte. Sie wollte mit dem Atomausstieg Wähler mobilisieren, obwohl die Grünen hier viel glaubwürdiger sind; schließlich hat ausgerechnet Vogts Förderer Gerhard Schröder in Berlin den Atomausstieg gebremst. Sie hat sogar ein Stück der Natürlichkeit aufgegeben, die die Menschen bei ihrer ersten Kandidatur so schätzten. Im Fernsehduell lächelte sie zuweilen wie ein als Stewardess verkleideter Günther Oettinger.

Als es nun darum ging, ob Vogt Oppositionsführerin im Stuttgarter Landtag wird, reagierte die SPD-Fraktion beunruhigt. Das allerdings ist mindestens so beachtlich wie der vergeigte Wahlkampf der Spitzenkandidatin. Die Frau habe landespolitisch keine Erfahrung und wolle gleich die Fraktion führen, mahnen einige Landtagsabgeordnete, die sich selbstverständlich mit diesen Äußerungen nicht namentlich zitieren lassen. Nun, Vogt hat in ihren Jahren als Chefin des Bundestagsinnenausschusses und Staatssekretärin in Berlin nicht geglänzt. Aber das Stuttgarter Teilzeitparlament ist auch nicht gerade die größte Herausforderung der politischen Kunst. Im Landtag steht die Arbeit der SPD-Fraktion für Fantasielosigkeit, zuweilen für müden Populismus. So hatten die Ministerpräsidenten der CDU vor der eigenen Fraktion mehr Angst als vor den Attacken der Sozis.

Die interne Kritik an Vogt zeigt, was vielen in Baden-Württembergs SPD reicht: eine gemütliche Oppositionsfraktion im ach so wichtigen Landtag. Eine mächtige CDU, auf die man schimpfen kann, die einen aber – bitte, bitte – ernster nehmen soll als die Grünen. Sowie Gewerkschaftsfunktionäre, denen man die Treue hält und die zur Belohnung nicht mit der WASG fremdgehen. Kurz: Helden der Bedeutungslosigkeit treffen auf eine schwer ramponierte Hoffnungsträgerin.

Eine Volkspartei kann sich eine Spartenstrategie für Gewerkschaften und Milieuwähler nicht leisten, im bevölkerungsreichen Baden-Württemberg genauso wenig wie in Bayern, wo die Genossen 1998 Renate Schmidt nach ihrer Niederlage erst bestätigten und dann rausekelten. Ute Vogt steht wenigstens als Persönlichkeit für den Versuch, Menschen außerhalb der Stammklientel zu erreichen. Inhaltlich ist ihr dafür zu wenig eingefallen. Den grauen Herren, die sich über sie aufregen, allerdings gar nichts. GEORG LÖWISCH

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